Die Narben der Hoelle
Apotheke mit auf den Törn.«
»Hast du denn dafür schon etwas organisiert?«
»Ich bin sicher, dass mein Freund mir da unten kurzfristig ein Boot besorgen kann, mit dem ich ein bisschen an der Küste herumfahren kann. Zum Beispiel in die Mandelbucht … «
»Die kenne ich ja schon«, lachte sie.
»Ja, aber den Geruch von Seewind und Mandelblüten, den hast du noch nicht in der Nase gehabt, oder?«
»Nein. Du hast ihn eindrücklich beschrieben, aber selbst gerochen … , nein, leider noch nicht.«
Da nahm er all seinen Mut zusammen und sagte: »Komm doch mit!« Dabei wurde er rot wie ein kleiner Junge, aber seinen Blick wandte er nicht von ihr ab.
Karen stand auf und antwortete leise: »Ich möchte sehr gern, Jo. Wirklich.«
Er sprang auf, ging um den Tisch herum und nahm sie in die Arme. Plötzlich war es ganz einfach. Die Worte sprudelten wie selbstverständlich aus ihm heraus: »Dann begleite mich doch! Lass uns zusammen fahren! Bitte!«
Sie wehrte sich nicht gegen seine Umarmung.
Sein Gesicht war ganz dicht vor dem ihren, als er es sagte: »Karen, ich liebe dich. Ich habe schon einmal geglaubt … Aber erst, seit ich dich kenne, weiß ich, dass ich so ein Gefühl vorher noch nie … , dass nichts mit dem hier vergleichbar ist.«
Ihre klaren blauen Augen blickten ihn ganz ruhig an. Dann legte sie ihre Lippen sachte auf seinen Mund.
Nur ein kurzer, scheuer Kuss, eher geschwisterlich.
Aber herrlich. Ihre Lippen warm und weich, und der kleine Kuss haute ihm fast die Füße weg.
Genauso ihre Worte.
»Lass uns ein wenig Zeit, Jo«, sagte sie und trat zwei Schritte zur Seite. »Beziehungen zwischen Psychotherapeuten und ihren Patienten dürfen durchaus eng und vertraulich sein. Der Beziehungsaspekt ist sogar wichtig für den Erfolg der Therapie. Aber was ich hier gerade zugelassen habe, ist höchst unprofessionell, und es ist nicht ungefährlich.«
»Ich verstehe das, aber … wenn ich nicht mehr dein Patient bin … , und wenn ich hier offiziell entlassen werde …?«
»Mit dem heutigen Tag bin ich sowieso nicht mehr deine Ärztin. Das muss dir klar sein. Und was … alles andere betrifft, so bin ich noch nicht sicher … Es ist problematisch!«
»Aber es ist nicht unmöglich, oder? Ich meine, wenn beide es wollen … «
Sie antwortete lächelnd: »Da magst du recht haben. Aber mehr sage ich dazu hier und heute nicht. Geh du erst mal auf deinen Törn. Leb dich wieder in der Normalität ein. Ruf mich an, wann immer du willst. Und dann … « Sie nahm seine Hand und fuhr fort: »Dann sehen wir weiter.«
Eine ganz einfache Geste: Sie führte seine Hand an ihre Wange und rieb diese kurz an seinem Handrücken. Dann ließ sie los, drehte sich um und ging zur Tür.
Fast unhörbar fragte Johannes hinterher: »Aber … , aber du sagst nicht … «
Noch einmal drehte sie sich um. »Ich sage nicht Nein, Jo. Dafür hab ich dich … , dafür mag ich dich viel zu gern. Und dabei lassen wir es jetzt bitte.«
Dann schloss sich die Tür hinter ihr.
Auf einmal ergriff ihn eine Welle von Übermut und überrollte ihn. Mit großen Schritten lief er zum Fenster und riss es weit auf.
Die beiden alten Damen, die ihre Rollatoren nebeneinander im Schneckentempo über den Weg schoben, schauten indigniert zu ihm herauf, als er ihnen zubrüllte: »Hallo Mädels, herrliche Luft heute, findet ihr nicht auch?«
Paule holte ihn pünktlich ab.
Er stecke mitten in den Vorbereitungen für seinen nächsten Einsatz, sagte er. Schon in drei Tagen ging für ihn wieder der Flieger nach Mazar-i-Sharif.
»Für mich ist das Thema nun ja durch, aber auch für dich wird es wohl das letzte Mal sein«, sagte Johannes.
»Sieht so aus.« Mehr brachte Paule nicht über die Lippen.
Brauchte er auch nicht.
Als das Schweigen zu drücken begann, erzählte Johannes, dass er nun bald in die Türkei aufbrechen würde.
»Segeln natürlich, oder?«, fragte Paule skeptisch.
»Ja, klar! Türkische Ägäis! Das Schönste, was du dir vorstellen kannst!«
»Na denn. Für den, der’s mag, ist es das Höchste … «
Johannes nahm es mit Fassung. Paule, ein zäher, durchtrainierter Sportsmann, mutig wie kaum ein Zweiter, hatte mit Schiffen’ nichts im Sinn. Ihm wurde schon beim bloßen Anblick eines am Ufer fest vertäuten Bodenseedampfers übel. Komisch, dachte Johannes, ausgerechnet seine beiden besten Freunde hatten mit der See nichts am Hut. Mehmet war genauso eine Landratte.
»Ich bin sicher, du bist fit genug für einen solchen Törn – so
Weitere Kostenlose Bücher