Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Narben der Hoelle

Die Narben der Hoelle

Titel: Die Narben der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. Dieter Neumann
Vom Netzwerk:
alle Bilder wieder da, sogar die Geräusche und die Gerüche.«
    »Aber Jo, das ist ja großartig … äh … « Sie brach abrupt ab. »Entschuldige bitte, natürlich kommt es darauf an, was deine Erinnerung dir zeigt, um sagen zu können, ob es großartig ist.«
    »Mach dir keine Sorgen, Karen, es ist großartig! Nur eine kurze Erinnerungssequenz – die Sekunden, bevor mich die Kugel am Helm getroffen hat und ich bewusstlos geworden bin.« Er hielt kurz inne. »Aber ich weiß es jetzt.«
    »Spann mich nicht auf die Folter! Sag schon – was erinnerst du wieder?«
    Unüberhörbar, das war mehr als nur berufliches Interesse an ihrem ehemaligen Patienten! Er kostete diesen Moment voll aus. Mit belegter Stimme sagte er: »Ich habe die Kinder nicht getötet. Und auch den jungen Talib nicht.«
    »Ist das wirklich … «
    »Ja, die Kinder haben noch gelebt, als ich ohnmächtig wurde!«, brach es aus ihm heraus. »Also, hör zu: Ich liege in Deckung und höre Schüsse, auch Schreie, die näher kommen. Ich sehe drei Kinder. Sie stehen ungefähr zwanzig Meter rechts von mir und drücken sich an die Felswand. Ich sehe ihre Gesichter. Sie klammern sich in Panik aneinander. Zwei von ihnen haben die Augen weit aufgerissen, das dritte weint. Dieser alte Talib steht mit einer Pistole in der Hand direkt hinter ihnen. Er streitet sich mit einem jungen Mann. Neben dem liegt auf dem Boden noch ein junger Mann, offenbar schwer verwundet. Plötzlich hebt der Alte seine Pistole und schießt. Der junge Talib bricht sofort zusammen. Der Alte sieht hinüber zu den Geiseln. Ich kann nicht auf ihn zielen: Die Kinder stehen im Weg – ich würde sie treffen. Also springe ich aus meiner Deckung hervor und schieße in die Luft, um die Aufmerksamkeit von Paule abzulenken, der gerade mit den Geiseln flieht. Der Alte fährt herum und reißt seine riesige Pistole hoch … Dann wird alles schwarz. Der Film ist zu Ende.«
    Und, als wäre Karen nicht in der Lage, diesen Schluss selbst zu ziehen: »Das heißt, als ich ohnmächtig wurde, waren die Kinder noch am Leben – und danach kann ich sie ja wohl kaum noch erschossen haben!«
    »Jo, ich bin so glücklich … « Das klang nun erst recht kein bisschen professionell mehr.
    »Ich auch«, war alles, was er über die Lippen bekam. Er nahm einen tiefen Schluck aus seinem Kaffeebecher und stellte fest, dass die Katze ihn interessiert beobachtete. »Jetzt rufe ich so schnell wie möglich Paule an. Er muss gewissen Leuten im Lager ein paar unangenehme Fragen stellen. Irgendjemand hat die Kinder schließlich getötet. Eigentlich kann es nur der Alte gewesen sein, nachdem er auf mich geschossen hat.«
    »Natürlich willst du das alles herausfinden, das ist mir klar, aber … «
    »Vor allem will ich wissen« ließ sich Johannes nicht bremsen, »wie die Projektile aus meiner Waffe in die Körper der Kinder und des jungen Talib gekommen sind. Kann auch nur der Alte gewesen sein – mit meiner MP, als ich bewusstlos war.«
    »Nimm dir doch etwas Zeit, Jo, erhol dich erst mal ein paar Tage und genieße deinen Segeltörn! Das kannst du doch jetzt ganz unbeschwert tun!«
    Johannes kämpfte einen plötzlichen Hustenanfall nieder. »Entschuldigung, ich habe mich am Kaffee verschluckt.«
    »Hör mal, bist du sicher, dass alles in Ordnung ist bei dir?«
    »Alles okay!«, sagte er mit fester Stimme, während sein Blick über die Wunden glitt, die der Stahlbug des Motorseglers und der Wirbelsturm dem Schiff geschlagen hatten.
    »Na gut. Aber melde dich bitte recht bald wieder! Du musst nicht immer warten, bis etwas so Dramatisches passiert wie heute, um mich anzurufen.«
    »Wenn du das sagst … Ah, heißt das, du möchtest einfach so angerufen werden, ich meine … , rein privat …?«, stotterte er.
    Lachend sagte sie: »Du weißt doch: Ich bin nicht mehr deine Therapeutin, seit du über mich hergefallen bist.«
    »Nun hör aber mal!«, protestierte Johannes, »das kann man doch wirklich nicht so nennen! Aber das ließe sich natürlich nachholen.«
    »Dir scheint es wirklich zu gut zu gehen!«
    Na ja. »Karen?« »Ja.«
    »Ich liebe dich.«
    Einen Moment lang hörte er nur das Hintergrundrauschen der Fernverbindung. Dann sagte sie: »Ich freue mich auf deinen nächsten Anruf. Versuch’s doch mal auf meiner Privatnummer.« Damit legte sie auf.
    Die Katze beobachtete ihn immer noch aufmerksam.
    Die nächste Stunde verbrachte er damit, vorn eine Fock anzuschlagen, die als Reservesegel an Bord war. Das war nun seine

Weitere Kostenlose Bücher