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Die Naschmarkt-Morde

Titel: Die Naschmarkt-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Stimme. Der Baron von Schönthal-Schrattenbach schreckte aus seinem meditativen Trab auf und sah auf der gegenüberliegenden Seite der Prater Hauptallee den Grafen Borowicz vorbeireiten und ihm zurufen: »Sehen wir uns nachher in der Meierei in der Krieau? Trink’ ma einen Kaffee und plaudern wir ein bisschen, wenn’s dir konveniert!«
    »Très bien!«, antwortete der Baron, dem im Augenblick nichts Gescheiteres einfiel. Damit war die Meditation hoch zu Ross beendet und ging in eine leichte Verstimmung über. Denn der gute Franciscus Borowicz war ein ausgesuchter Trottel, dem er normalerweise aus dem Weg ging. Darüber hinaus war der Franci ihm immer dann begegnet, wenn ein gröberes Unglück geschehen war oder ein solches unmittelbar bevorstand. Borowicz war ein Unglücksbote – so wie eine schwarze Katze, die einem über den Weg läuft. Leider waren die Familien beider Herren miteinander verwandt, und deshalb hielt Aloysius’ Mutter regelmäßig Kontakt mit der Gräfin Borowicz. Dadurch waren der Loysi und der Franci seit frühesten Kindheitstagen immer wieder aufeinandergetroffen, hatten oft miteinander gespielt, sich noch öfter geprügelt – kurzum, sie kannten einander gut. Und nun war es einfach eine Frage der Höflichkeit und des Anstandes, dass er nach seinem Ausritt auf einen Kaffee in der Meierei Krieau – einem sehr beliebten Kaffeehaus im Prater – vorbeischauen musste.
     
    Eine Dreiviertelstunde später betrat er den Gastgarten der Meierei. Franciscus Borowicz hatte bereits eine Melange und ein mürbes Kipferl mit Butter und Marillenmarmelade 33 zu sich genommen. Die beiden begrüßten einander mit gelangweilter Nachlässigkeit, und Schönthal-Schrattenbach ließ sich auf einen der harten Gartensessel fallen.
    »Ich sehe, du hast schon gefrühstückt …«, bemerkte er in tadelndem Ton.
    »Na geh … Ich hab eh eine Viertelstunde auf dich gewartet, Loysi. Aber dann ist mir fad geworden, und ich hab halt aus Lust an der Freud’ ein Marmeladekipferl gegessen.«
    Als der Ober kam, orderte Borowicz ein Seiterl 34 Bier, Schönthal-Schrattenbach schloss sich dieser Bestellung an und ergänzte sie um ein Züngerl mit Kren 35 .
    »Na, Loysi, du bist heute ordentlich bei Appetit … Weißt, zum Frühstück mag ich für meinen Teil noch nichts so etwas Ernstes essen. Erst zu Mittag dann …«
    »Das Reiten in der Früh macht mir immer Appetit. Und was dich betrifft, so weiß ich noch von unseren Ferien im Salzkammergut, dass du ein Süßer bist. Erinnerst dich? Ich hab schon als kleiner Bub in der Früh immer nach Pasteten und Würsten verlangt, während du und die ganzen Weibsbilder immer nur Brioches und Marmelade bestellt haben.«
»Ja, ja, Loysi … Die goldene Kindheit. Das war noch was …«
    »Na, so golden war sie auch wieder nicht. Wenn ich daran denke, dass wir die einzigen Buben in unserer gesamten Verwandtschaft waren und wir immer mit den Mädeln spielen mussten, dann überkommt mich heut noch das Grausen.«
    »Die Mädeln mochtest du damals überhaupt nicht. Und heute hast du einen geradezu fantastischen Ruf als Charmeur und Weiberheld. Chapeau! Kompliment …«
    »Na, in dieser Hinsicht stehst du mir ja um nix nach, mein Lieber! Du verdrehst halt lieber den kleinen Mädeln den Kopf – egal ob sie aus unseren Kreisen stammen oder Bürgerliche sind. Und bei jungen, weiblichen Dienstboten lässt du ja auch nichts anbrennen, habe ich gehört …«
    »Also so, wie du das sagst, ist es auch wieder nicht. Ich dränge mich den Mädeln nie auf. Aber was kann ich dafür, dass sie mich alle mögen?«
    »Na geh, du Armer, du könntest einem fast leidtun«, mit diesen Worten hob Schönthal-Schrattenbach sein Glas und trank es leer. Er rülpste halblaut, murmelte »Pardon« und rief dem vorbeigehenden Ober nach: »Bringen Sie mir noch ein Seiterl, Herr Ober. Aber dalli, wenn ich bitten darf!«
    Und zu dem Grafen gewandt, bemerkte er in raunzendem Tonfall: »Der Ober schleicht durch die Gegend, als wenn er eine Fußkrankheit hätte. Eine Schande ist das!«
    Borowicz, dem diese Bemerkung unangenehm war, wechselte das Thema: »Sag, weil wir gerade von der Damenwelt gesprochen haben … Warum bekommt man deine Cousine Minerl in letzter Zeit kaum zu Gesicht? Was ist denn los mit ihr?«
    Der Baron zog die rechte Augenbraue hoch und erwiderte kühl: »Seit wann interessierst du dich für die Minerl?«
    »Man wird ja noch fragen dürfen. Außerdem kursieren so komische Gerüchte bezüglich ihrer Person

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