Die Naschmarkt-Morde
unter vier Augen unterhalten wolle, worauf dieser den Raum verließ.
»Gott der Herr sei gepriesen und bedankt!«, stieß Schöberl hervor, »endlich sind Sie gekommen, Herr Inspector, um mich aus diesem Schlamassel zu retten. Ich schwöre Ihnen beim Augenlicht meiner Mutter, ich werde Ihnen den Rest meines Lebens nicht nur wie bisher die besten Fleischstückerln auf die Seite legen, sondern als kostenlose Zuwaage auch immer die ganz besonderen Gustostückerln. Ich bitte Sie nur eines: Holen Sie mich da raus!«
»Immer langsam … Immer mit der Ruhe!«, brummte Nechyba und zog einen Zettel aus der Innentasche seines Sakkos.
»Als Erstes möchte ich wissen, Schöberl, ob du dieses Geständnis da unterschrieben hast. Ist das deine Unterschrift?«
Der grobschlächtige Mann sank in sich zusammen und begann zu weinen: »Ich schwöre Ihnen, ich habe den Zettel da nur unterschrieben, weil sie mich am Kommissariat geprügelt haben wie einen Hund. Mit Fäusten und Schlagringen … und … bitt schön … getreten haben s’ mich auch. Voll in die Eier … Ich hab heute den ganzen Tag Blut gebrunzt. Dann haben sie mir ein nasses Tuch um den ganzen Kopf gewickelt, bis ich keine Luft mehr bekommen hab. Und dann hat der eine Kiberer, der Dünne, der was mich am Naschmarkt arretiert hat, meine Hand genommen und damit das Geständnis unterschrieben …«
»Und warum hast du das Mädel ermordet?«
»Aber Herr Polizeipräsident, das hab ich nicht. Ich war’s nicht! Ich schwör es! Bei allem, was mir heilig ist!«
»Hast du es gekannt, das Mädel?«
»Bitt schön! Bitte, bitte, glauben S’ mir! Ich weiß nix von dem Mädel. Ich habe an dem Tag am Naschmarkt nur die Dorothea gehaut, weil sie frech zu mir war und weil sie mir nicht ihren Hintern hinhalten wollte. Aber sonst hab ich nix … wirklich gar nix g’macht.«
»Wollte dir die Ermordete auch nicht den Hintern hinhalten? Hast du sie deshalb erwürgt?«
Mit irrem Blick starrte Schöberl den Inspector an. Dann flüsterte er mit tränenerstickter Stimme: »Erwürgt? So was tu i net! Das habe ich noch nie ’tan … Ich hau immer nur hin … Ohrfeigen, Kopfnüsse, Fußtritte, Faustwatschen … oder ich traktier sie mit meinem Leibriemen … Für all das können S’ mich einsperren. Aber gewürgt hab ich noch nie eine. Nein, Herr Inspector, das hab ich in meinem ganzen Leben niemals, nie und nimmer, g’macht …«
Lange Zeit starrte Nechyba auf das Häufchen Elend, das schluchzend vor ihm auf dem Stuhl saß. Schließlich stand er auf und dachte sich: Es ist zum Speiben 57 . Jetzt brauch ich einen Schnaps.
Den Schöberl aber, den Grobian, brummte er an: »Ich werde sehen, was ich für dich tun kann.«
Dann räusperte er sich und rief: »Wache! Führen Sie den Delinquenten in die Zelle zurück!«
XIII/2.
Ein pochender Kopfschmerz holte den schlafenden Aloysius Schönthal-Schrattenbach zuerst in einen halb wachen und nach einiger Zeit in den völlig wachen Zustand zurück. Durch die Vorhänge blinzelten Strahlen der späten Nachmittagssonne. Das Befinden war mies. Die Geschehnisse der vergangenen Nacht bedrückten ihn sehr. Einzig die Erinnerung, dass er beim Gulaschessen dem Sternberg mitgeteilt hatte, dass dessen neue Eroberung, die Gräfin Hainisch-Hinterberg, als grauslich kalte Leiche in der Gerichtsmedizin lag, entlockte ihm ein mattes Grinsen. Sternbergs Gesicht war auch zu komisch gewesen, als er diese Neuigkeit vernahm. Das kantige Bulldoggengesicht, das gerade an einer riesigen Gulaschflachse 58 gekaut hatte, verfärbte sich purpurrot. Der Graf verschluckte sich und hatte in Folge einen fürchterlichen Husten- und Würgeanfall. Er hatte dem gönnerhaft plaudernden Grafen, der sich im Spielgewinn der vergangenen Nacht sonnte, einen ordentlichen Dämpfer verpasst. Gut so.
Als er aus dem Bett aufstand, bereute er es sofort wieder, da der Kopfschmerz zu einem dröhnenden Pochen anschwoll. Benommen taumelte er zu seinem Kleiderschrank, öffnete diesen und nahm den seidenen Schlafrock heraus. Nachdem er auch seine Hausschuhe gefunden hatte, verließ er das Schlafzimmer und fand im Salon seine Mutter beim nachmittäglichen Tee vor. Er wünschte ihr einen guten Morgen, worauf sie nichts erwiderte und ihn nur sorgenvoll ansah. Er ignorierte ihren Blick und fragte stattdessen: »Darf ich Ihnen etwas Tee nachgießen, liebe Frau Mama?«
»Danke, ich hatte meinen Tee bereits. Wenn du einen Blick auf die Uhr werfen würdest, würdest du sehen, dass es schon
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