Die Nebelkinder
ihre Wirkung verloren und die drei Gegner rückten wieder gegen ihn vor.
Albin schnellte aus seinem Versteck und rannte auf den Rotelb mit dem Dreizack zu. Der sah den neuen Angreifer aus den Augenwinkeln und fuhr zu ihm herum. Albin warf seinen Dolch. Der Rotelb duckte sich und entging der Klinge. Doch das siegesgewisse Grinsen, das auf seine Züge trat, hielt nicht lange. Albins Dolchwurf war ein Ablenkungsmanöver gewesen. Während der Feind sich duckte, sprang Albin vor und griff nach dem Schaft des Dreizacks. Beidhändig umklammerte er ihn hinter der Klinge und entriss die Waffe ihrem Besitzer. Der benötigte einige Augenblicke, um sich von seiner Überraschung zu erholen. Als er zu dem Dolch an seiner Seite griff, war es zu spät. Die Klinge seiner eigenen Waffe fuhr tief in seine Brust. Blutend brach er zusammen und fiel vor Albins Füße.
Als er auf den Sterbenden nieder sah, wurden Albins Knie weich. Verwirrung und Reue ergriffen von ihm Besitz. Noch nie hatte er einen Menschen getötet - oder ein Nebelkind. Vor kurzem wäre solch ein Handeln für ihn noch undenkbar gewesen. Die Mönche vom Mondsee hatten ihn zur unbedingten Achtung des Lebens erzogen, dazu, seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst. Das alles war jetzt so weit entfernt. Sogar in die behütete Welt der Abtei war der gewaltsame Tod eingedrungen, als Graf Chlodomer auf jenem verhängnisvollen Fest zusammengebrochen war. Albin lebte nun in einer Welt der ständigen Gefahr, und wenn er nicht den Tod brachte, kam der Tod zu ihm. Das erkannte er, als der Rotelb mit dem
Schwert auf ihn zustürzte. Der dritte Rotelb war in einen heftigen Kampf mit Findig verwickelt.
Albin zog den Dreizack aus der Brust des Sterbenden und wehrte mit der blutigen Klinge das Schwert des Angreifers ab. Gerswind hatte sich von ihrem Schrecken erholt, nachdem Findig sein Trugbild so schnell hale verschwinden lassen, wie es entstanden war. Sie nahm das schwere Spielbrett, ein marmornes Schachspiel, vom Boden auf und hieb es Albins Gegner von hinten über den Schädel, bevor er einen zweiten Angriff ausführen konnte. Der Elb ging taumelnd zu Boden und blieb dort reglos liegen. Gerswind hatte ihn ins Reich der Träume geschickt.
Albin lächelte sie dankbar an und wollte Findig zu Hilfe eilen. Aber der hatte seinen Gegner bereits überwunden. Findigs Dolch steckte bis zum Heft im Hals des Rotelben.
Gerswind blickte in die Runde und begann, am ganzen Leib zu zittern. Schon die Verschleppung durch die Rotelben musste sie arg mitgenommen haben. Hier in der Höhle hatte sie sich ein wenig gefangen, sonst hätte sie sich die Zeit nicht damit vertrieben, gegen einen ihrer Bewacher Schach zu spielen. Aber es war nur eine äußerliche Ruhe gewesen, die ihre innere Anspannung unberührt gelassen hatte. Das plötzliche Erscheinen Findigs und Albins, das in Blut und Tod geendet hatte, war zu viel für sie gewesen. Ihr Zittern wurde stärker und Albin fürchtete, sie würde in einen ähnlichen Veitstanz verfallen wie der unglückliche Graf Chlodomer.
Er sprang zu ihr und hielt sie fest, drückte sie an sich, streichelte über ihren Kopf und ihren Rücken, um sie zu beruhigen. Gleichzeitig genoss er ihre Nähe und war unendlich dankbar, dass Gerswind noch am
Leben war. In diesem langen Augenblick, als keine Schranken von Rasse oder Stand sie trennten, streifte ihn ein Hauch vollkommenen Glücks.
»Rührend, da wird selbst mir warm ums Herz.« Waldo stand mit seiner Meute im Eingang der großen Höhle und bedachte Albin und Gerswind mit einem spöttischen Blick.
Findig blickte den Mischlerführer wütend an. »Habt ihr auf euren Ohren gesessen? Es ging auf Leben und Tod, wir hätten eure Hilfe gut gebrauchen können!«
Waldo sah kühl auf die gefallenen Rotelben hinab. »Offensichdich seid ihr auch ohne uns ganz gut zurechtgekommen. Sind alle drei tot?«
»Dieser hier wohl nicht«, sagte Albin und zeigte auf den Rotelb, den Gerswind niedergeschlagen hatte.
»Das wäre gut, ich würde mich gern eingehend mit einem der Rotelben unterhalten«, sagte Findig und beugte sich über den bewussten Elb. »Irrtum, der ist nicht lebendiger als die beiden anderen.«
Diese Mitteilung ließ Gerswind neuerlich erbeben. Sie hatte Albin helfen, aber sie hatte niemandem den Tod bringen wollen. Albin konnte nur zu gut nachempfinden, wie sie sich fühlte.
Tränen rannen über ihre Wangen, als sie ihn ansah und mit verzagter Stimme flehte: »Bring mich hier weg, Albin, bitte!«
»Das werde
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