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Die Netzhaut

Die Netzhaut

Titel: Die Netzhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
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sagte er ruhig, doch seine Stimme hatte einen Unterton, der von verhaltener Wut zeugte.
    »Eine Abmachung?«
    »Hör zu, Liss.« Er machte eine kurze Pause. Vermutlich, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. »Ich habe dir alle deine Fotoshootings besorgt. Wenn mehr daraus werden soll, brauchst du die richtigen Kontakte. Was Fashion angeht, ist Amsterdam tiefste Provinz. Ich kenne auch woanders haufenweise Leute, wichtige Leute. Du sollst nicht so enden wie Wim, Ferdinand und die anderen Loser.«
    »Ich bin dir zu großem Dank verpflichtet«, sagte sie mit Betonung auf »großem«. »Aber um meine Zukunft musst du dir keine Sorgen machen. Du musst nie wieder wegen mir nächtelang aufbleiben.«
    Sein Blick verhärtete sich.
    »Die Wohnung …«, sagte er. »Du wohnst in meiner Wohnung.«
    Das stimmte nicht. Er hatte sie ihr besorgt, aber sie gehörte ihm nicht.
    »Nächste Woche ziehe ich aus«, entgegnete sie. »Hab schon etwas anderes gefunden.«
    Vielleicht begriff er, dass auch das gelogen war. Doch nichts konnte sie aufhalten. Sie ging bereits die Stufen hinunter.
    »Warte!«, fauchte er hinter ihr her. Sie blieb stehen und drehte sich um. Es kostete sie nichts, sich anzuhören, was er zu sagen hatte. Seine Hand verschwand in der Innentasche, und für einen Augenblick dachte sie, er habe eine Waffe, ein Messer oder einen Revolver. Doch nicht einmal dieser Gedanke erschreckte sie.
    Es war keine Waffe, die er in der Hand hielt, sondern ein Foto. Und im selben Augenblick wusste sie, dass das Spiel sich gedreht hatte. Er stand auf dem oberen Treppenabsatz, aber sie wollte nicht wieder zu ihm hinaufgehen. Sie wartete, bis er die vier Stufen zu ihr nach unten kam.
    »Kennst du diese Frau?«, fragte er und hielt das Foto schräg unter das Deckenlicht.
    Vor drei Tagen hatte Zako die Bemerkung mit Liss’ Schwester gemacht. Zunächst hatte sie geglaubt, er habe aufs Geratewohl einen Versuch unternommen, musste jedoch immer wieder an seine Andeutung denken … Das Foto war an einer Bushaltestelle aufgenommen worden. Mailin lehnte an einer Wand und schien ihren Blick auf etwas gerichtet zu haben, das auf dem Bild nicht zu sehen war. Die Aufnahme war aus einiger Entfernung von der Seite gemacht worden. Mailin hatte offenbar nicht bemerkt, dass sie fotografiert wurde.
    Liss hielt sich am Treppengeländer fest. Das Licht änderte sich, zog sich zurück, wurde jedoch stärker. Als würde nicht sie da stehen. Und wenn es nicht sie war, konnte alles geschehen. Es stach in ihren Lungen, vielleicht hielt sie die Luft an, und im starken, fernen Licht tauchten schwarze Punkte auf. Sie durfte nicht darauf eingehen. So war Zako eben. Er spielte und spielte und begriff nie, wenn er zu weit gegangen war … Die meisten seiner Spielchen kannte Liss bereits. Sie hatten sie nicht abgeschreckt. Sie hatte mit allem gerechnet, aber nicht dass er jemand auf Mailin ansetzen würde. Plötzlich war ihr übel. Sie hatte seit Stunden nichts gegessen. Sie musste sich etwas zu essen besorgen, musste von hier verschwinden.
    »Wo hast du das Foto her?«
    Er lächelte nicht mehr.
    »Warum zeigst du mir das?«, fuhr sie so beherrscht wie möglich fort. »Glaubst du, das ändert irgendwas?«
    Erneut sah er sie forschend an. Wenn sie jetzt so stehen blieb, gab ihm das die Möglichkeit, sie Schicht für Schicht zu entblättern, bis sie vollkommen nackt war und jede noch so kleine Bewegung ihre Gedanken enthüllte.
    Sie drehte sich um, ging die Treppe hinunter und setzte sich dicht neben Rikke. Wie zum Schutz legte sie ihr den Arm um die Schultern.
    *
    Sie träumte, sie würde eine Bohrmaschine in der Hand halten, doch sie funktionierte nicht. Sie drückte den Knopf ganz herunter. Plötzlich sprang sie so heftig an, dass ihre Hände die Maschine kaum halten konnten. Sie ließ den Knopf los, doch die Maschine ging nicht aus.
    Als sie erwachte, schien der ganze Raum – das Bett, in dem sie lag, die Wände – immer noch zu vibrieren. Dann beruhigte sich alles allmählich. Die Straßenbahn war vorbeigefahren. Ihr fiel ein, wo sie sich befand. Spät in der Nacht hatte sie das Café Alto verlassen. Konnte den Gedanken nicht ertragen, nach Hause in ihre Wohnung zu fahren. Vielleicht würde sich Zako an ihre Fersen heften oder bei ihnen auftauchen, nachdem Rikke und sie sich hingelegt hatten. So etwas tat er, wann immer es ihm passte. Sie war einfach abgehauen, ohne etwas zu sagen, und hatte in einem Hotel in der Leidsestraat eingecheckt.
    Durch einen

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