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Die Netzhaut

Die Netzhaut

Titel: Die Netzhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
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Treffer. Artikel über Wasservergiftung, Silicon Valley und Shakespeares Ophelia. Liss war zu ungeduldig, um sich in Ruhe einen Überblick zu verschaffen. Tippte »Berger + Tabu« ein. Über 12 000 Treffer. Sie klickte Wikipedia an. Eigentlich hieß der Talkmaster Elias Bergersen Frelsøi, bevor er den Namen Berger annahm. Er war ausgebildeter Theologe. Gründete 1976 die Rockgruppe Baal-zebub, machte später als Solist Karriere und hatte ein paar Hits in den 90er-Jahren. Danach machte er als Alleinunterhalter und Produzent umstrittener Fernsehformate auf sich aufmerksam.
    Liss fand zahlreiche Kommentare zur Talkshow
Tabu,
die seit dem Frühherbst von Kanal 6 ausgestrahlt wurde. In einem Artikel in der christlichen Zeitung
Vårt Land
mit der Überschrift »Bis hierher und nicht weiter« wurde Berger als Bestandteil eines internationalen Netzwerks bezeichnet, das es sich zum Ziel gesetzt habe, das Christentum zu vertreiben und stattdessen dem Satan zu huldigen. Das
Magazinet
forderte alle Christen zum Boykott aller Gesellschaften auf, die Bergers Talkshow unterstützten. Das
Morgenbladet
titelte »Berger – ein Kind seiner Zeit« und zollte dem Fernsehmann offenbar einen gewissen Respekt: »Nachdem sich das Fernsehen in den letzten zehn Jahren aus den Fängen der Political Correctness befreit hat, dümpeln viele Akteure ziellos umher. Nicht jedoch Berger, der zweifellos in einer eigenen Liga spielt. Er hält den Menschen erbarmungslos den Spiegel vor, sprengt die Grenzen des Unterhaltungsgenres und provoziert den schlummernden Kulturkonsumenten, indem er weit in unsere beklemmende Realität vordringt.«
     
    Liss hörte, wie der Wagen in der Garage geparkt wurde und Tage kurz darauf das Haus betrat. Es war fast Mitternacht. Sie schaltete den Computer aus und stapfte in die Küche.
    »Hallo, Liss. Hat Ragnhild sich schon hingelegt?«
    Sie bot ihm eine Tasse Kaffee an, als wäre sie hier zu Hause.
    »Ich vertrage das Koffein nicht mehr«, sagte er. »Vor allem nicht so spät am Abend.«
    Er nahm für sie beide ein Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich an den Tisch. »Ich mache mir Sorgen um sie.«
    »Mailin?«, fragte Liss, die ihn willentlich missverstand.
    »Natürlich um Mailin, aber auch um Ragnhild. Ich weiß nicht, ob sie es verkraften würde, falls Mailin wirklich etwas zugestoßen sein sollte. Sie haben immer eine besondere Verbindung zueinander gehabt.«
    Er nahm seine Brille ab, rieb sich heftig die Augen und blinzelte sie an, kurzsichtig wie ein alter Maulwurf.
    »Weder du noch ich können je ihren Platz einnehmen.«
    Er setzte die Brille wieder auf die Nase und warf einen Blick zur Tür, ehe er fortfuhr: »Im Grunde habe ich immer gedacht, dass es etwas zu nah ist, jedenfalls von Ragnhild aus. Aber Mailin ist hervorragend damit zurechtgekommen. Sie wirkt so ungeheuer selbstsicher.«
    Er trank direkt aus der Flasche und leerte sie mit zwei langen Zügen. »Aber, liebe Liss, wenn ich irgendwas für dich tun kann …«
    Er tätschelte ihr den Arm. Sie blickte ihn verstohlen an und war auf der Hut, wie immer, wenn sie von jemand berührt wurde. Doch sie registrierte, dass es ihr nichts ausmachte. Nicht einmal sein anbiederndes »liebe Liss«, das sie stets verabscheut hatte, irritierte sie heute. Tage hatte sich von Anfang an darum bemüht, sie und Mailin richtig kennenzulernen. In all den Jahren, die sie unter einem Dach gelebt hatten, hatte er es ertragen, abgewiesen und lächerlich gemacht zu werden. So war das eben, dachte er bestimmt, wenn man als Ersatz für einen abwesenden Vater herhalten musste. Nach der Hochzeit hatte er ihren Namen angenommen, und seine Hingabe an Ragnhild war so tief, dass er sich mit allem abfand. Wie ein abgerichteter Hund, dachte Liss, musste aber für einen Moment ihre Verachtung, mit der sie ihm stets begegnet war, außen vor lassen und spürte sogar eine gewisse Dankbarkeit diesem Mann gegenüber, der seinen Platz in einem Haus von Frauen gefunden hatte, in dem er mehr geduldet als geliebt wurde.
    *
    Sie schloss sich in ihr früheres Zimmer ein. Es war sauber und aufgeräumt. Keine Plakate an den Wänden, die immer noch karmesinrot waren und sich von den schwarzen Türen und Türrahmen abhoben. Liss hatte diese Farben durchgesetzt, als sie sechzehn war. Die Mutter hatte ihren Widerstand schließlich aufgegeben und die Wände aus irgendeinem Grund – mehr als sieben Jahre nach Liss’ Auszug – so gelassen.
    Sie löschte das Licht, legte sich nackt unter die Decke und

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