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Die Netzhaut

Die Netzhaut

Titel: Die Netzhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
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servierte, war sie seit über einer Stunde bei ihm. Mit immer noch wackligen Beinen und einer pulsierenden Empfindsamkeit im Unterleib ließ sie sich auf einen der Stühle am Küchentisch sinken. Vermutlich wollte er den Kaffee nicht im Wohnzimmer trinken, weil man von dort aus freie Sicht auf den gegenüberliegenden Wohnblock von Manglerud hatte. Sollte ihr recht sein. Ein Blick ins Wohnzimmer hatte ihr gezeigt, dass es so eingerichtet war, wie man es von einem frisch geschiedenen Mann Mitte dreißig erwarten durfte. Also lieber die Küche.
    »Und ich dachte schon, der Kaffee wäre nur ein Vorwand für den Sex gewesen«, seufzte sie und schnupperte an der dampfenden Tasse.
    »Umgekehrt«, entgegnete er mit dem provozierenden Lächeln, das ihr, wie sie sich eingestand, ziemlich gut gefiel. »Ich wusste, dass du nur mit mir Kaffee trinken würdest, wenn wir uns vorher miteinander vergnügen.«
    Sie nippte am Kaffee und unterließ es, die Nase zu rümpfen.
    »Mit diesem Kaffee bringst du eine Frau jedenfalls nicht dazu, an Weihnachten ihre Familie zu verlassen und über dreißig Kilometer mit dem Auto zu fahren.«
    »Ich rede auch gern mit dir«, erwiderte er und legte seine Hand auf ihre. Für einen Moment hatte sie den Eindruck, dass er es ernst meinte, was sie froh und nachdenklich zugleich machte. Sie wollte die gute Stimmung nicht durch Präzisierungen oder Abgrenzungen zerstören. Er war vierunddreißig und reif genug, einen gewissen Widerspruch zu ertragen, auch wenn er immer noch etwas Jungenhaftes an sich hatte.
    Glücklicherweise fügte er hinzu:
    »Als ich dich vorhin im Flur gesehen habe, konnte ich mich einfach nicht länger beherrschen.«
    »Geht dir das öfter so?«, fragte sie und bemühte sich um eine strenge Miene.
    »Ist schon eine Weile her.«
    »Hab ich gemerkt.«
    »Danke gleichfalls.«
    Er öffnete eine Flasche Bier.
    »Ich hab mich schon gefragt, wie ein Gespräch mit dir wohl verläuft, wenn keine Leiche in der Nähe ist.«
    Sie nahm einen tiefen Schluck und gab ihm die Flasche zurück.
    »Spielst du etwa auf Viken an?«, wunderte sie sich und wollte jede alberne Bemerkung über die junge Frau vermeiden, die vor zwei Tagen zwischen ihnen auf dem Obduktionstisch gelegen hatte.
    Er lächelte, enthielt sich aber eines Kommentars.
    »Bei euch ist sicher der Teufel los«, sagte sie nach einer Weile.
    Roar warf einen Blick aus dem Fenster.
    »Seit der Orderud-Sache habe ich so was nicht mehr erlebt.«
    »Du hättest mal letztes Jahr im Herbst bei den Ermittlungen zu den Bärenmorden dabei sein sollen«, entgegnete Jennifer. »Eigentlich komisch, dass Viken nicht ebenfalls seinen Hut nehmen musste.«
    Roar machte plötzlich ein mürrisches Gesicht.
    »Es gibt nur wenige Leute mit seiner Erfahrung«, erwiderte er. »Jedenfalls ist er der fähigste Ermittler, mit dem ich bis jetzt zusammengearbeitet habe.«
    Das hatte Jennifer schon von mehreren Leuten gehört. Trotz der damaligen Vorfälle.
    »Einige meinen, er hätte die Leitung des Dezernats übernehmen sollen«, bemerkte Roar.
    »Das war doch damals völlig unmöglich«, entgegnete sie.
    »Kann schon sein. Aber die Lösung, die sie stattdessen aus dem Hut gezaubert haben …« Er stieß die Luft durch seine zusammengepressten Lippen aus. »Ich hab nichts gegen Sigge Helgarson. Ich kenne ihn von früher, habe in Romerike mit ihm zusammengearbeitet. Dort hatte er auch eine Führungsposition inne. Aber das Dezernat für Gewaltverbrechen in Oslo zu leiten ist doch etwas ganz anderes. Er ist ja kaum älter als ich. Isländer. Und, um es mal vorsichtig auszudrücken, mit Viken liegt er nicht gerade auf einer Wellenlänge.«
    »Die können nicht jedes Mal Viken um Erlaubnis fragen, wenn jemand eingestellt werden soll«, sagte Jennifer. Als Roar nichts entgegnete, begriff sie, dass er nicht weiter über den Kriminalkommissar reden wollte. »Wie weit seid ihr denn mit euren Ermittlungen?«, fragte sie, um das Thema zu wechseln.
    »Wir stochern immer noch ziemlich im Nebel«, antwortete Roar mit einem Gähnen. »Aber das wird schon. Wir brauchen noch ein paar Taktiker. Im Moment sind wir nur zu viert. Und du kannst dir ja denken, wie viel Material wir erst mal sichten müssen.«
    »Kommt auf die Prioritäten an«, entgegnete sie und hatte etwas Bestimmtes im Sinn.
    Roar leerte die Bierflasche und holte eine neue aus dem Kühlschrank.
    »Wir haben natürlich mit den engsten Angehörigen angefangen. Ihren Lebensgefährten haben wir bis jetzt drei Mal

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