Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt
geschmückt.
Ich deutete auf den Mann. »Wer ist das?«
Faustus, der neben mir auf der Klippe lag und über den Rand hinweg in die Tiefe starrte, schwieg erst eine Weile, dann ließ er sich zu einer Antwort herab. »Ortwin DeAriel, Kardinal im besonderen Auftrag des Heiligen Stuhls. Papst Leo betreut ihn in der Regel mit Aufgaben, die ein gewisses Maß an Geheimhaltung erfordern. DeAriel hat es durch geschicktes Taktieren innerhalb der Kirchenhierarchie verstanden, über vier Päpste hinweg im Amt zu bleiben. Er hat heute noch dieselbe Macht inne wie unter der Regentschaft Alexanders VI., mehr noch sogar. Wo andere Kardinale mit den Heiligen Vätern kommen und gehen, ist es DeAriel gelungen, von Papst zu Papst an Einfluß zu gewinnen.«
»Wenn sogar Leo im fernen Rom an uns gelegen ist und er einen seiner mächtigsten Männer schickt, besteht dann überhaupt noch Hoffnung?« fragte ich niedergeschlagen.
Faustus schüttelte den Kopf und lächelte bitter. »Es würde mir schmeicheln, wäre DeAriel wegen uns im Land. Aber das wäre zuviel der Ehre. Nein, der Kardinal überwacht die Nachforschungen in der Sache der toten Priester. Papst Leo muß sehr an der Aufklärung dieser Morde gelegen sein.«
»Was aber sucht er dann unten im Dorf?«
»Asendorf wurde beauftragt, die Ketzer, die für die Anschläge verantwortlich sind, ausfindig zu machen und zu richten«, erklärte Faustus. »Er scheint nach wie vor zu glauben, daß ich ihn auf die Spur der Täter führen kann. So macht er Jagd auf uns und hofft, zugleich auch die Morde aufzuklären. DeAriel wird den nötigen Druck auf ihn ausüben.« Nun grinste er fast schadenfroh. »Der arme Asendorf sitzt ganz schön in der Klemme.«
»Bedeutet das nicht, daß Asendorf seine Anstrengungen verstärken wird?«
»Genau«, gab Faustus zur Antwort. »Doch sieh nur, was jetzt geschieht…«
Meine Augen folgten seinem Blick ins Tal. Tatsächlich gerieten die Reihen der Landsknechte in Bewegung. Auf einen Befehl Asendorfs hin sprangen einige auf ihre Rösser und preschten auf den Tieren quer durchs Dorf bis zu einer Wiese am anderen Ende der Ortschaft. Dort standen vier kunterbunte Planwagen, um die sich einige Männer und Frauen in ebensolcher Kleidung scharten. Außer den Pferden, welche die Wagen zogen, graste nahebei noch ein halbes Dutzend weiterer Tiere.
Die Landsknechte bezogen in einem weiten Kreis um das Lager der Zirkusleute Aufstellung. Keiner stieg vom Pferd. Asendorf, sein Bibelzwerg und DeAriel folgten in gemächlicherem Trab. Sie passierten den Ring der Soldaten, der sich nun mit jedem Schritt, den sich die beiden Anführer der Gauklertruppe näherten, enger zusammenzog.
Faustus stieß mich an. »Komm mit, wir müssen dort hinunter!«
»Was?« entfuhr es mir viel zu laut. »Das kann nicht Euer Ernst sein.«
»Schweig still und folge mir!« gebot er unwillig und machte sich daran, verborgen hinter Büschen und vereinzelten Bäumen den Steilhang hinabzuklettern.
Ich zitterte vor Angst. Meine Kleidung unter der groben Kutte war schweißgetränkt. Faustus war mein Lehrherr; ich mußte tun, was er verlangte. Und wohin sonst hätte ich auch gehen können? An der Mühle erwartete mich das gleiche Schicksal wie unten im Dorf. Mir blieb gar keine andere Wahl, als dem Doktor zu folgen.
Ich hatte Mühe, auf lockerem Geröll und zwischen vorspringenden Felsnadeln mit ihm Schritt zu halten. Faustus erwies sich als geschickter Kletterer, und es dauerte nicht lange, da kauerte er im Buschwerk am Fuße des Abhangs und wartete ungeduldig, daß auch ich unten eintraf.
Gemeinsam näherten wir uns schließlich dem Dorf, schnell, gebückt, immer darauf bedacht, nicht ins Blickfeld der Landsknechte zu geraten. Wir schlugen einen Bogen um die äußeren Hütten und Ställe, nutzten ein paar verdutzte Rinder als willkommenen Schutz vor Entdeckung und gelangten endlich bis auf etwa zwanzig Schritte an das Lager der Gaukler. Die Wiese, auf der die Planwagen standen, grenzte an den Wald, und so verbargen wir uns am äußeren Rande des Unterholzes. Von hier blickten wir durch Zweige und Laub direkt auf die Gauklertruppe, die Landsknechte und die beiden Klerikalen. Mit Mühe konnten wir Teile ihrer Worte verstehen.
Für die Zirkusleute sprach eine junge Frau, höchstens dreißig Jahre alt, mit langem schwarzem Haar und dunklen, feurigen Augen. Sie trug lederne Hosen und ein weißes Hemd mit brauner Weste. Mit bewundernswertem Mut trat sie Hexenjäger und Kardinal höflich, aber nicht
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