Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt
gehen mögen…«
Faustus lächelte und legte mir eine Hand auf die Schulter. »Sei nicht wütend«, sagte er.
»Bin ich nicht.«
»Natürlich bist du’s.«
»Keineswegs.«
»Aber sicher.« Faustus lächelte noch immer. »Und was die Waffen betrifft: Wir lassen sie hier. Zwei Mönche, die mit Schwert und Knüppel in ein Dorf marschieren, könnten mehr Aufsehen als nötig erregen.«
»Dann wollt Ihr ins Dorf?«
»Natürlich«, entgegnete er, »wohin sonst?«
Ich selbst hätte mich für die dumme Frage ohrfeigen mögen. Das Mädchen mit der Ledermaske. Wir mußten erfahren, was es mit ihr auf sich hatte. Und wo sonst als im Lager der Gaukler hätten wir die Wahrheit herausfinden können?
So liefen wir den Waldweg talwärts, den auch die Bauern mit ihren Karren genommen hatten. Nach wenigen Schritten wandte ich mich erneut an meinen Meister:
»Herr, erlaubt mir eine Frage.«
»Seit wann so zurückhaltend?«
»Nun«, begann ich zögernd, »ich wundere mich bereits seit unserer Flucht aus dem Siechenhaus über etwas, das Ihr im Zusammenhang mit Eurem Gespräch mit Asendorf erwähntet.«
»Und das wäre?«
»Ihr spracht von einem Hund, der Euch viel bedeutet. Und doch habt Ihr ihn seither nicht mehr erwähnt, ja, Ihr scheint ihn nicht mal zu vermissen.«
Faustus blieb ruhig. »Woraus schließt du das?«
Ein wenig verdattert dachte ich darüber nach, dann erwiderte ich: »Ihr verliert kein Wort über ihn. Sicher, Euer Leben bedeutet Euch mehr als das eines Hundes, aber…«
»Nein«, unterbrach er mich barsch, »du bemühst dich zu folgern, siehst aber nur eine einzige Möglichkeit, jene, die du sehen willst.«
Ich verstand nicht, was er meinte. »Aber, Meister, Ihr…«
Wieder fiel er mir ins Wort. »Du urteilst vorschnell, Wagner. Ich spreche nicht über Mephisto – denn das ist sein Name –, aber das bedeutet nicht, daß mein eigenes Leben von höherem Wert ist als das seine.« Er klang jetzt fast ein wenig ungehalten.
»Ich wollte Euch nicht zu nahe treten«, entschuldigte ich mich.
»Wähle jetzt nicht den einfachsten Weg«, sagte er und sah mich düster an. Ich fragte mich verwirrt, was ich falsch gemacht hatte. »Bleib bei deinen Thesen«, fuhr er fort. »Aber argumentiere! Du stellst nur vage Behauptungen auf, doch wo sind die Begründungen?«
Jetzt begriff ich, daß dies die erste Lektion meines neuen Lehrherrn war. Das beruhigte mein schlechtes Gewissen ein wenig, schmälerte jedoch kaum meine Verwirrung. »Ich weiß nicht«, stammelte ich und verdammte mein mangelndes Sprachgeschick. »Ich glaubte einfach, daß Ihr den Hund aufgegeben habt, im Austausch gegen Eure eigene Rettung.«
Faustus schloß einen Herzschlag lang die Augen und seufzte. »Lieber Wagner«, sagte er schließlich, »du mußt noch soviel lernen. Wie soll je ein wahrer Gelehrter aus dir werden, wenn du an Aufgaben wie dieser scheiterst. Hör zu: Die Tatsachen sind zweierlei. Zum ersten: Mephisto befindet sich in Asendorfs Gewalt und dient ihm als Geisel. Und zum zweiten: Ich habe während des ganzen Weges nicht davon gesprochen. Deine Schlußfolgerung ist, daß ich das arme Tier aufgegeben habe – wobei deine Überzeugung daher rührt, daß Mephisto eben nur ein Tier ist. Diese Gewißheit aber verstellt dir den Blick auf andere mögliche Wahrheiten. Streich das vorgefaßte Urteil aus deinem Gedächtnis und überlege erneut.«
Ich gab mir Mühe, seinen Gedankengängen zu folgen, und grübelte, während wir den Weg ins Tal fortsetzten, über weitere Möglichkeiten nach. Schließlich sagte ich: »Es wäre denkbar, daß Asendorf den Hund gar nicht einfing, denn er gab Euch keinen Beweis dafür.«
Faustus’ Antwort verriet weder Ablehnung noch Zustimmung. »Hätte ich dann über die Annahme seines Angebotes nachgedacht?«
»Aber ja«, entgegnete ich schnell. »Ihr zeigt große Anteilnahme an dem Fall des verbrannten Priesters. Und obgleich ich die Gründe nicht kenne, scheinen sie mir doch für Euch selbst von Wichtigkeit zu sein. Denn selbst wenn Ihr die Lösung des Rätsels, also die Täter, enthüllen könntet, könntet Ihr kaum damit zu Asendorf zurückgehen; er würde Euch mit oder ohne die Mordbrenner töten lassen. Also habt Ihr einen Grund für Eure weiteren Nachforschungen, der über das Schicksal des Hundes hinausgeht.«
Nun lächelte mein Meister. »Siehst du, so gefällst du mir besser. Jetzt versuchst du, den Dingen auf den Grund zu gehen, und läßt dich nicht allein von vagen Eindrücken leiten. Trotzdem:
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