Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt
Triumph gefletscht, als ihm das Lachen abrupt verging. Blitzschnell und mit dem Geschick einer Schlange entwand sich die schwarzmähnige Frau seinem Griff, zog ihm mit der anderen den Dolch aus dem Gürtel, sprang flink um ihn herum und hielt ihm die Klinge an die Kehle.
Um sie herum rissen die Landsknechte ihre Schwerter aus den Scheiden. Einige brachten ihre Büchsen in Anschlag. Sofort waren die Frau und ihr Opfer umringt.
Da tat Asendorf etwas, das ich ihm nicht zugetraut hätte; es paßte schlichtweg nicht in das Bild des finsteren Unholds, das ich mir von ihm gemacht hatte.
Der Hexenjäger schwang sich vom Pferd und trat mitten unter die Soldaten.
»Haltet ein!« rief er vermittelnd. Dann beugte er sich zu der mordlustigen Gauklerin hinüber und raunte ihr einige Worte ins Ohr. Zögernd ließ sie den Dolch sinken und gab den Gefangenen frei. Sogleich wollten sich mehrere Männer auf sie stürzen, doch Asendorf hielt sie mit einem scharfen Befehl zurück. Offenbar hatte er jeden Geschmack an den Gauklern verloren. Er wollte die Ketzer, nicht eine Horde dummer Zirkusgecken – dies waren in der Tat seine Worte.
Kardinal DeAriel sah erst auf Asendorf, dann auf die Planwagen; seine Miene verriet nicht, was in ihm vorging. Schließlich wendete er wortlos sein Pferd und ritt zurück zum Dorfplatz. Die Lage entspannte sich. Der Inquisitor stieg auf sein Roß, und die Landsknechte kehrten den Gauklern murrend den Rücken. Augenblicke später standen die Zirkusleute allein auf der Wiese, während sich der kriegerische Troß zurück zur Dorfmitte wälzte.
»Was habt Ihr nun vor?« fragte ich meinen Meister.
Faustus blickte starr auf das Mädchen mit der Maske. »Ich muß mit ihr sprechen.«
»Aber wie wollt Ihr das anstellen?« fragte ich verzweifelt; ich fürchtete, daß er uns nur noch tiefer ins Unglück stürzen würde.
Der Doktor dachte eine Weile lang nach, dann schüttelte er den Kopf, als führten seine Gedanken zu keiner vernünftigen Lösung. »Es hilft alles nichts«, sagte er schließlich, »wir müssen zu ihnen gehen. Die junge Frau, mit der Asendorf sprach, schien dem Inquisitor nicht allzu wohlgesonnen.«
»Natürlich nicht«, sagte ich leise und mehr zu mir selbst, »sie verbrennt schließlich Priester.«
»Das bleibt abzuwarten«, widersprach Faustus. »Zumindest wird sie nicht versuchen, uns an Asendorf ausliefern.«
»Was macht Euch da so sicher? Weshalb sollte sie die Gefahr eingehen, sich selbst und ihre Leute ans Messer zu liefern? Ich für meinen Teil würde zwei wildfremde Ketzer durchaus der Obrigkeit melden, wenn ich dadurch das Leben meiner Gefährten retten könnte.«
Faustus lächelte. »Du bist auch kein Gaukler.«
Erst später, nachdem ich auf anderen Reisen mehr über das Wesen der fahrenden Spielleute erfahren hatte, sollte ich die Worte meines Meisters gänzlich begreifen. Gaukler lebten in einer eigenen Welt. Regeln und Gesetze des gewöhnlichen Volkes hatten für sie keine Gültigkeit. Wohin sie ihr Weg auch führte, verbreiteten sie Fröhlichkeit und Freude, doch sie wußten sehr wohl, daß das Publikum sie hinter der Maskerade aus Gelächter und Geschrei verachtete. Ihr Berufsstand galt als lasterhaft und liederlich, oft wurden ihnen Diebstahl und Raub vorgeworfen. So kam es, daß die Zirkusleute ihren Zuschauern zwar nach außen hin zu Diensten waren, sie aber insgeheim aus tiefstem Herzen haßten. Und mehr noch als für Bürger und Bauern galt dies für die Männer, die sie regierten. Kirche und Kaiser waren ihnen aufs höchste zuwider.
Faustus, den seine Wege schon durch viele Länder und Städte geführt hatten, wußte das. So erachtete er die Gefahr, von den Gauklern ausgeliefert zu werden, als denkbar gering. Freilich statt mir dies mitzuteilen, zog er es vor, zu schweigen, und ließ mich in meinen Befürchtungen schmoren. Auch dies war eine Seite meines Meisters, jene des listigen Schwarzkünstlers, der es liebte, andere in Angst und Schrecken zu versetzen.
Wir warteten ab, bis sich die Landsknechte zurückgezogen hatten. Dann umrundeten wir die Wiese, bis sich die Planwagen zwischen uns und dem Dorf befanden. Von dort aus überquerten wir das offene Gelände. Vom Waldrand bis zum Lager war es nicht weit, fünfzehn, höchstens zwanzig Schritte, doch die Strecke schien mir unendlich. Mir war, als versanken meine Füße im weichen Erdreich, so ängstigte mich die Vorstellung, den schützenden Wald zu verlassen und ins Freie zu treten. Ich betete zu Gott, daß
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