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Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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rannte los, während die beiden anderen über die reglosen Körper der Landsknechte stolperten und mir folgten. Ungehindert gelangten wir bis zur Wendeltreppe, sprangen die Stufen hinunter und verhielten unsere Schritte erst vor der Geheimtür zum Pferdestall. Vorsichtig schob ich sie einen Spaltweit auf und blickte hinaus.
    Die zahlreichen Tiere der Landsknechte schienen den Stall schier zu sprengen. Selbst auf dem Mittelgang hatte man viele von ihnen angebunden. Soldaten waren keine zu sehen, doch es wäre dumm gewesen, anzunehmen, daß sich keine Wachen vor dem Tor des Stalls befanden. Trotzdem mochten wir es im Schutz der Pferdeleiber unbemerkt bis zur Falltür schaffen.
    Wir hatten keine Wahl. Ich gab Angelina und dem Pater ein Zeichen. Gemeinsam schlüpften wir durch die Tür. Sofort umwogte uns der Geruch von Tieren und Stroh. Während wir hinüber zur Falltür liefen, sah ich durch das offene Tor Asendorfs Männer. Gleich vier von ihnen standen draußen auf dem Hof, höchstens ein Dutzend Schritte entfernt, und sprachen miteinander. Zwei von ihnen stützten sich auf armlange Handbüchsen.
    Eilig beugte ich mich über die Klappe im Boden und riß sie auf. Angelina begriff sofort und sprang ohne Zögern hinab in die Dunkelheit. Gregorius hatte offenbar Bedenken, doch ich stieß ihn nur wortlos an und gab ihm zornig zu verstehen, er möge sich beeilen. Mit geschlossenen Augen wuchtete er seinen fetten Körper durch die Öffnung und verschwand in der Tiefe.
    Nun war die Reihe an mir, doch ich dachte nicht daran, den beiden zu folgen. Statt dessen beugte ich mich vor und flüsterte hinab ins Dunkel: »Folgt der Treppe nach unten. In einer Höhle findet ihr Pferde. Reitet in die Wälder und versteckt euch.«
    »Was ist mit Euch?« hörte ich Gregorius leise aus dem Abgrund.
    »Ich muß den Meister retten«, entgegnete ich entschlossener, als ich mich tatsächlich fühlte.
    Ich hörte noch, wie der Pater zu einem Widerspruch ansetzte, dann schloß ich von außen die Falltür und streute Stroh über ihre Fugen. Ich wußte nicht, ob die Engelkrieger sich vielleicht in dem Treppenschacht aufhielten und ob die beiden dort unten wirklich in Sicherheit waren. Und doch war die Flucht durch den Berg ihre einzige Hoffnung. Erstaunt, ja fast panisch stellte ich fest, daß ich zum ersten Mal nicht an mein eigenes Wohlergehen dachte.
    Das allerdings sollte sich schleunigst ändern, denn nun war ich gänzlich auf mich allein gestellt. Ich machte mir keine falschen Vorstellungen von der Unmöglichkeit meines Vorhabens. Was konnte ich alleine schon gegen Asendorfs ganze Soldatenschar ausrichten?
    Ich faßte keinen wirklichen Plan, sondern beschloß viel mehr, Schritt für Schritt vorzugehen. Als erstes mußte ich erfahren, wo Faustus festgehalten wurde.
    Ich schlich zwischen den unruhigen Pferden hindurch zu einem Fenster. Der Stall befand sich im Erdgeschoß der Vogtei, und ich hatte von hier aus gute Sicht über den gesamten Nordhof. Er war voller Landsknechte, die auf Treppen und am Boden saßen, allein und in Gruppen, ihre Waffen säuberten, Karten spielten oder ihren Sold beim Würfeln einsetzten. Es war unmöglich, ungesehen an ihnen vorbeizugelangen.
    Ein Scheiterhaufen war nirgends zu sehen.
    Das Verbindungstor zum Südhof stand offen. Auch dort ließ nichts auf eine bevorstehende Hinrichtung schließen.
    Da begriff ich, was Asendorf vorhatte. Als Inquisitor war er stets auf eine große Wirkung seiner Urteile bedacht. Weshalb also hätte er Faustus – ausgerechnet ihn – hier oben auf der Burg verbrennen sollen? Nein, Asendorf wollte Zuschauer, wollte die große Menge als Zeugen. Folglich würde er die Scheiterhaufen für Faustus, mich und die anderen in der Stadt errichten lassen, unten auf dem Marktplatz.
    Obwohl dies für mich einen Zeitaufschub brachte und vielleicht sogar andere Möglichkeiten, meinen Meister zu befreien, so stellte es mich doch vor neue Schwierigkeiten. Befand Faustus sich überhaupt noch auf der Burg? Oder war er bereits auf dem Weg nach Eisenach? Mir kam nicht die Spur eines Einfalls, wie ich in diesem Punkt Gewißheit erlangen konnte.
    Nur eines war gewiß: Ich mußte schnellstens aus diesem Stall heraus, irgendwie – was sich in Anbetracht der gewaltigen Anzahl von Landsknechten vor seinem Tor als schwerste Hürde von allen erweisen mochte.
    Gebückt schlich ich von Pferd zu Pferd und zerschnitt ihnen mit dem Schwert die Zügel. Es mochten an die drei Dutzend Tiere sein, und sie alle zu

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