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Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Worte verstand oder nicht. Dabei hatte sie stets gewußt, über was wir sprachen. Trotzdem mochte ich nicht glauben, daß sie uns wirklich Böses wollte.
    Sie nickte langsam. Ja, sie verstand nur zu gut.
    »Kannst du sprechen?« fragte ich.
    Angelina schüttelte den Kopf.
    »Dieses Biest!« schrie Gregorius, der sich allmählich von dem Angriff erholte. Er hatte beide Fäuste geballt, als wollte er sich auf das Mädchen stürzen. Doch ob ihm ihre katzengleiche Attacke Respekt eingeflößt hatte oder ob er sich schlichtweg seines gesunden Menschenverstandes entsann – er zügelte sich und ließ sie in Frieden.
    Was ihn freilich nicht davon abhielt, sie mit Worten anzugreifen. »Dieses Miststück hat es nur darauf abgesehen, uns alle zu verraten! Sie wird uns an ihre Brüder und Schwestern ausliefern.« Er klang jetzt ganz und gar nicht mehr wie ein Geistlicher im friedfertigen Dienste des Herrn.
    »Ihr wißt, wie sie zu dem geworden ist, was sie heute ist«, versuchte Faustus ihn zu besänftigen. »Angelina trägt daran keine Schuld.«
    Daraufhin schwieg der Pater und ging in sich. Vielleicht sah er ein, daß Faustus die Wahrheit sprach. War nicht sogar er selbst verantwortlich für das, was aus diesen Kindern geworden war? Hatte er nicht selbst eines von ihnen in sein Verderben geschickt – auch wenn es ohne Absicht geschah? Es gehörte nicht viel dazu, sich die Gedankengänge des Paters auszumalen. Der gequälte Ausdruck auf seinem Gesicht war keine Folge von Angelinas Attacke – es war das Spiegelbild seiner Selbstzweifel.
    Angelina rollte sich zusammen wie ein hilfloses Kind. Sie schien verwirrt über ihr eigenes Benehmen. Vielleicht war ihr der Haß auf ihre auserwählten Opfer so tief eingesät worden, daß er selbst in einer Lage wie der unseren noch zur Blüte reifte. Obwohl ihr doch klar sein mußte, daß sie in den Augen ihrer früheren Gefährten längst die Seiten gewechselt hatte. Spätestens in jenem Augenblick, in dem sie Faustus – aus Mitleid? – vom Scheiterhaufen befreit hatte, mußte sie die anderen gegen sich aufgebracht haben. Hatten die Engel des Borgia sie deshalb so grausam bestraft? Wurde sie deshalb verstümmelt und achtlos am Wegrand liegengelassen, um dort zu verenden wie ein Tier? War das die Strafe für ihren Verrat an der Sache des Vatikans?
    Wie aber war sie dann hinauf in den Baum gelangt?
    Erneutes Hämmern am Eingang. Dann ein lautes Krachen. Asendorfs Männer brachen die Tür auf. Das Holz war dick und die Beschläge massiv, trotzdem würden sie nur eine Zeitlang standhalten. Wieder warf sich jemand dagegen. Und wieder.
    Faustus packte das Schwert, mit dem er die beiden Engelkrieger in die Flucht geschlagen hatte. Er legte es vor sich auf den Boden und schob es mir durch das Gitter entgegen.
    »Nimm es!« sagte er. »Du wirst es dort draußen besser gebrauchen können als ich.«
    Ich wollte widersprechen, ihn bitten, damit um sein Leben zu kämpfen, doch im selben Moment flog die Tür nach innen und Asendorfs Männer stürmten in die Kammer. Es gelang mir gerade noch, die Klinge unbemerkt in den Schacht zu ziehen, dann rissen ein halbes Dutzend Hände meinen Meister grob auf die Füße. Angelina lag immer noch zusammengerollt am Boden. Einer der Kerle machte eine bösartige Bemerkung über ihr verbranntes Gesicht, die übrigen lachten. Weitere Beachtung schenkten sie ihr nicht, ebensowenig wie Gregorius, der dasaß und die Soldaten mit glasigen Augen anstarrte. Offenbar glaubte er, auch sein Ende sei gekommen.
    Doch die Landsknechte hatten es allein auf Faustus abgesehen. Er wurde durch die Tür gezerrt und fortgebracht. Zwei Soldaten blieben zurück. Sie fesselten die Hände der übrigen Gefangenen – beide ließen es willenlos über sich ergehen – und verließen dann die Kammer. Sie zogen die Tür hinter sich zu, obwohl das Schloß zerbrochen war. Ich hörte, wie die beiden draußen ihre Posten bezogen. Niemand schien Gregorius und Angelina einen Fluchtversuch zuzutrauen.
    Meine Angst um das Leben meines Meisters war übermächtig. Sein Scheiterhaufen konnte noch nicht vollendet sein; wahrscheinlich würde Asendorf zuerst mit ihm sprechen oder ihn gar foltern wollen. Zugleich aber wußte ich, daß das Schicksal Angelinas und des Paters nun in meinen Händen ruhte. Ich war der einzige, der sie jetzt noch retten konnte.
    Der Rückweg durch den Schacht gestaltete sich weitaus schwieriger als der Hinweg. Aufgrund der Enge mußte ich die Strecke rückwärts bewältigen, mit

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