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Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Möglicherweise würde der Hexenjäger uns laufenlassen.
    Doch die schönsten Hoffnungen und besten Pläne taugen nichts, wenn man den Feind unterschätzt. Und eben das war der Fehler, den ich in diesem Augenblick beging.
    Statt abzuwarten und zu beobachten, was Asendorf als nächstes plante, glaubte ich, es sei am besten, gleich einen Versuch zur Befreiung meines Meisters zu unternehmen. Ich hoffte, daß auch die Wachmannschaft ihre Pflichten vernachlässigen und hinaus auf den Hof laufen würde. Man möge mir anrechnen, daß ich nie zuvor in einer ähnlichen Lage war. Bei Gefahr hatte ich stets die Flucht ergriffen, und mich ihr keinesfalls, so wie jetzt, wagemutig ins offene Maul geworfen. Ich wußte nicht, wie Heerführer ihre Strategien planten, und ich hatte nicht den Schimmer einer Ahnung, wie ein Mann wie Asendorf seine Verteidigung organisierte. Allein diesem Mangel an Erfahrung war es anzulasten, daß ich wie ein Blinder ins offene Messer lief.
    Ich hatte eben das Wohnhaus im ersten Stock durchquert und das anliegende Treppenhaus betreten, als mir eine breite Gestalt den Weg vertrat. Ich blickte ihr nicht ins Gesicht – statt dessen wurden meine Augen von der schwarzen Mündung der Handbüchse angezogen, die genau in meine Richtung wies.
    »Wenn das nicht der kleine Zauberlehrling ist«, frohlockte eine rauhe Stimme, dann rammte ein harter Gegenstand in meine Seite. Ein zweiter Büchsenlauf.
    Jetzt erst blickte ich auf und sah in die Gesichter meiner Gegner.
    Zwei Landsknechte des Inquisitors. Und sie schienen mehr als glücklich, mir hier und jetzt den Garaus zu machen.
    Der eine lachte grimmig, doch der andere blieb ernst.
    »Abrakadabra«, sagte er leise.

Kapitel 5
    Die Landsknechte machten sich nicht einmal die Mühe, mich in einen Kerker zu stecken. Statt dessen führten sie mich hinaus auf den Südhof, legten mir Handeisen an und ketteten mich im Freien an einen Eisenring am Fuße des Bergfrieds. Dutzende Augen beobachteten mich, wie ich mit angezogenen Knien am Boden saß und mir alle Mühe gab, einen klaren Gedanken über meine neue Lage zu fassen.
    Das Feuer im Stall war offenbar erfolgreich gelöscht worden. Man hatte die Pferde im Nordhof zusammengetrieben, so daß sich die Soldaten und Dienstleute nun im Süden aufhielten. Die umstehenden Landsknechte beachteten mich kaum, wohl aber einige der Frauen und Dienstboten. Und dann, gerade als ich alle Hoffnung fahren ließ, entdeckte ich auch die hübsche Magd, die mir die erste Nacht versüßt hatte. Sie eilte schnurstracks an mir vorüber und gab sich offenbar alle Mühe, mich nicht anzusehen. Es gelang ihr nicht gänzlich, und so fing ich einen ihrer Blicke auf, der durchaus bekümmert wirkte.
    Nun, dachte ich, zumindest wird jemand deinen Tod betrauern.
    Ich hatte weder Faustus noch Asendorf oder gar DeAriel getroffen. Ich war niemandem gegenübergestellt und von keinem verhört worden. Dabei mußten die Schergen des Hexenjägers doch mittlerweile sicher sein, daß ich derjenige war, der die beiden Wachtposten getötet und das Feuer gelegt hatte. Oder trauten sie mir solche Entschlossenheit nicht zu?
    Wahrscheinlich war es schlichtweg einerlei – ich würde so oder so verbrannt. Ob mich die Todesstrafe wegen Ketzerei oder Ermordung zweier Landsknechte ereilte, war letztenendes gleichgültig. Ich hoffte nur, daß ich noch einige Worte mit meinem Meister wechseln durfte. Mir lag viel daran, ihm zu versichern, daß ich Angelina und Gregorius in Sicherheit gebracht hatte. Vorausgesetzt, die beiden Streithähne zerfleischten sich nicht gegenseitig.
    Nach einer ganzen Weile, während der ich phantastische Fluchtpläne schmiedete und allesamt wieder verwarf, öffnete sich das Tor des Palas. Vier Landsknechte traten ins Freie, gefolgt vom Inquisitor und seinem Bibelzwerg.
    Konrad von Asendorf schenkte mir einen eisigen Blick aus seinen schmalen Augen. Sie waren von funkelndem Grün, beinah wie Edelsteine. Ich erwartete, daß er mich ansprechen würde, doch statt dessen trat er mit einem siegessicheren Lächeln an mir vorüber und ging durch das Verbindungstor zum Nordhof. Ihm folgten Kardinal DeAriel und als letzter schließlich, umringt von einem halben Dutzend Landsknechte, mein armer Meister. Faustus trat hocherhobenen Hauptes ins Freie, stolz, ungeschlagen, keineswegs wie einer, den nur noch der Tod erwartet. Langsam sah er sich um, als wolle er sich vergewissern, daß sein Auftritt von einem ausreichend großen Publikum verfolgt wurde. Er brachte

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