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Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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befreien nahm gehörige Zeit in Anspruch. Anschließend lief ich durch die Geheimtür zurück zur Kammer unterm Dach. Mit einer brennenden Kerze kehrte ich zurück, nahm sie zwischen die Zähne und klammerte mich mit Armen und Beinen fest an die Flanke eines der Pferde. Dann erst spie ich die Kerze in hohem Bogen ins Stroh. Die Flamme sprang sofort über, und innerhalb weniger Augenblicke loderte im hinteren Teil des Stalls ein kniehohes Feuer.
    Die ängstlichen Tiere gerieten in Aufregung. Der Rauch fraß sich in ihre empfindlichen Nüstern, und die plötzliche Hitze ließ die Pferde an der Rückwand mit schrillem Wiehern vorwärtspreschen. Panik brach aus. Von einem Herzschlag zum nächsten verwandelte sich die eben noch friedliche Szene in einen brodelnden Hexenkessel. Auf dem Hof wurden Schreie laut, doch sie wurden übertönt vom Wiehern der Tiere und dem harten Schlag ihrer Hufe. Wie eine Sturzflut aus dunklen Leibern ergossen sich die Pferde ins Freie, trampelten alles nieder, was ihnen in den Weg geriet, wollten nur fort von dem Stall und dem Feuer, das sich darin in Windeseile ausbreitete.
    Das Pferd, an dessen Seite ich hing wie eine Zecke, preschte als eines der letzten durchs Tor. Da waren die Menschen im Hof schon längst nicht mehr um die Tiere bekümmert, sondern vielmehr um das Feuer, das zur Bedrohung für die ganze Burg werden konnte. Eimerketten wurden gebildet, und während die ersten Wasserkübel ihren Inhalt in die Flammen ergossen, ließ ich mich nahe des Torhauses zu Boden fallen. Blitzschnell rollte ich mich zur Seite, um nicht unter den stampfenden Hufen zu enden. Mit viel Glück entging ich einem tödlichen Tritt, rappelte mich im Schutz des Tumults aus Pferdeleibern, schreienden Mägden und verwirrten Landsknechten auf und sprang zur nahen Treppe eines Wehrgangs. Niemand schenkte mir Beachtung. Soweit war meine List geglückt.
    So schnell ich konnte stürmte ich die Treppe hinauf, nahm immer drei Stufen auf einmal, bis ich mit wenigen Sätzen oben anlangte. Der überdachte Fachwerkgang war menschenleer. Alles war beim Ausbruch des Feuers hinab in den Hof gelaufen. Ich machte mir keine falschen Vorstellungen: Die Flammen sahen größer und gefährlicher aus, als sie es tatsächlich waren, und schon in Kürze würde man sie gelöscht haben. Man würde sich der Gefangenen entsinnen und in der Dachkammer nach dem rechten sehen. Was geschähe, wenn man die beiden Leichen entdeckte, wagte ich mir nicht auszumalen. Spätestens dann mußte ich die Burg verlassen oder aber ein todsicheres Versteck gefunden haben. Beides schien mir aussichtslos.
    Trotzdem war es wichtig, daß ich vom Wehrgang aus einen Blick auf den Weg warf, der sich aus dem Tor, quer durch den Wald und den Berg hinunter bis in die Stadt schlängelte. Zumindest Teile davon waren von hier aus einzusehen. Falls man Faustus wirklich nach Eisenach bringen wollte, konnte er in so kurzer Zeit unmöglich dort angelangt sein. Doch die schmale Straße war verlassen, weder von Faustus noch Asendorf war etwas zu erkennen. Es sprach also einiges dafür, daß mein Meister noch hier in der Burg festgehalten wurde. Wenigstens hatte ich nun den Ort näher eingegrenzt, an dem ich nach ihm suchen mußte. Freilich entfiel damit auch die Möglichkeit einer Flucht von der Wartburg. Erst galt es, Faustus zu befreien.
    Ich rannte den Wehrgang hinunter nach Süden, wo er an das Wohnhaus grenzte, in dem wir die erste Nacht auf der Burg verbracht hatten. Die Erinnerung an die hübsche Dienstmagd flimmerte mir trotz aller Eile durchs Gedächtnis, und Wehmut überkam mich bei dem Gedanken an friedlichere, lustvollere Augenblicke.
    Ich riß die Verbindungstür auf und betrat das Gebäude. Auch hier war wegen des Aufruhrs im Hof niemand zu sehen. Ich war mir wohl bewußt, daß ich mich immer weiter vom Tor entfernte und mich statt dessen dem Palas näherte, jenem Bau mit seinem Festsaal, in dem der prunkverwöhnte Asendorf zweifellos residierte. Ich erhoffte mir, daß man eher in den abgelegenen Teilen der Burg nach mir suchen würde, und nicht hier, in direkter Reichweite des Hexenjägers. Vielleicht nahm man an, ich hätte die allgemeine Aufregung gemeinsam mit den beiden anderen zur Flucht in die Wälder genutzt, eine Vorstellung, die mir einleuchtend schien. Die Frage war, ob Asendorf und DeAriel eine Verfolgung anordnen würden. Faustus saß gefangen, wir anderen waren im Vergleich dazu nur unbedeutende Mitläufer. Ohne ihn waren wir nichts.

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