Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt
geben:
Asendorf war in die Pläne nicht eingeweiht. Er wurde von DeAriel und seinem Herrn in Rom ebenso an der Nase herumgeführt wie der Rest der Christenheit. Schlimmer noch: Der Heilige Stuhl nutzte den Hexenjäger ohne dessen Wissen aus, um die Attentate zu verschleiern. Denn zweifellos ritt DeAriel vor allem deshalb an Asendorfs Seite, um diesen stets von neuem in die Irre zu leiten. Nur so konnte sichergestellt werden, daß niemand die vatikanischen Mordbrenner bei ihrem Todeshandwerk störte.
Im selben Augenblick, da ich die Zusammenhänge begriff, brach ein gehässiges Lachen aus mir hervor. Asendorf war der größte Narr von allen! Papst Leo und seine Kardinäle mußten sich die Wänste halten vor Gelächter über seine vergeblichen Mühen. Und warum sollte ich ihnen darin nachstehen?
Ich lachte und lachte, lauter und lauter, bis sich selbst der Inquisitor im Sattel nach mir umwandte. Ich hätte nicht aufhören können, selbst wenn ich gewollt hätte. Faustus musterte mich erstaunt, doch ich sah es nur verschwommen durch die Tränenströme, die mir aus den Augen quollen. Herrgott, diese Ironie! Asendorf glaubte sich auf der Höhe seines größten Sieges, und doch war er nicht mehr als ein jämmerlicher Hanswurst an den Fäden des Vatikans.
Ich wollte ihm die Wahrheit entgegenschreien, ihm die größte aller Erniedrigungen zukommen lassen, hier und jetzt, vor all seinen Männern, doch ein brutaler Schlag ließ mich verstummen. Dann traf mich ein zweiter, direkt in die Magengrube, und der Schmerz löschte für eine Weile jeden anderen Gedanken aus.
Ich muß wohl zusammengesunken sein, denn als meine Sinne sich lichteten, brannten meine Handgelenke wie Feuer, so tief schnitten die Fesseln ein, an denen ich mit meinem ganzen Körpergewicht hing. Um uns erkannte ich Häuser und jubelnde Menschen. Für Faustus wiederholten sich die Ereignisse aus Wittenberg, doch für mich war diese Sicht einer Hinrichtung neu. Zum ersten Mal war ich selbst das Opfer, und als wir nun durch Eisenachs Gassen rollten, da wurde mir plötzlich die ganze Tragweite meines Schicksals bewußt. Ich würde nicht einfach nur sterben, nein, ich sollte brennen, die schlimmsten aller Qualen erleiden, bis mir die kochende Haut vom Gerippe tropfte.
Unser Troß erreichte den Marktplatz im Schatten schmutziger Fachwerkhäuser. Vier Scheiterhaufen waren in einem Halbrund errichtet worden. Hatte man Angelina und Gregorius doch noch gestellt? Nein, unmöglich. Der Auftrag, die Holzgerüste aufzubauen, mußte überbracht worden sein, als die beiden noch mit Faustus gefangensaßen. Das bedeutete aber auch, daß man zu jenem Zeitpunkt schon fest damit gerechnet hatte, auch meiner habhaft zu werden. In jeder anderen Lage hätte mich solche Schmach beleidigt; jetzt aber war es mir gleichgültig.
Henkersknechte stopften Reisig und Stroh in die Lücken der beiden mittleren Scheiterhaufen. Die Gerüste sahen ähnlich aus wie jenes in Wittenberg – hölzerne Plattformen mit einem Pfahl in der Mitte –, obgleich man ihnen die Eile anmerkte, in der sie errichtet worden waren.
Unsere Bewacher standen auf und lösten unsere Fesseln. Während uns die versammelte Menschenmenge neugierig anstarrte, wurden Faustus und ich vom Wagen gezogen. Das letzte Stück mußten wir zu Fuß gehen. Wir beeilten uns, trotz dessen, was uns erwartete, denn sonst hätte man uns vorwärtsgetrieben wie Vieh. Mir war weder nach ehrenvollem Auftritt noch nach sonstigen Etiketten zumute, doch die äußerliche Ruhe und die Beherrschtheit, mit der mein Meister durch die Gasse zwischen den Menschen schritt, steckte mich an. Ich bemühte mich, all mein Denken auf ihn auszurichten, als sei er eine Art Priester oder, besser noch, ein Gott, zu dem man aufblickte und dem man selbst im Augenblick des Todes nacheifern wollte.
Irgendwo wurden Trommeln geschlagen, erst langsam, dann immer schneller. Auf den Gesichtern der Männer und Frauen erschien ein Ausdruck angespannter Erwartung. Münder, Augen und Nasen verschmolzen zu einer einzigen, gewaltigen Grimasse, fleischig und verzerrt, die sich lachend an unserem Elend ergötzte.
Die Henkersknechte führten uns getrennt auf die Scheiterhaufen und fesselten uns an die Pfähle.
Das Tempo der Trommelschläge steigerten sich.
Asendorf betrat ein Podest am Rande der Menge. Der Bibelzwerg ging zu seinen Füßen in die Hocke.
So also endet es, dachte ich.
Der Trommelwirbel fand seinen Höhepunkt – und verstummte.
Der Inquisitor ergriff das
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