Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt
Wort: »Doktor Johannes Faustus, der du dich den Quellbrunn der Nekromanten nennst, den Zweiten unter den Magiern, Astrologe, Chiromant, Aeromant, Geomant, Pyromant und Hydromant! Du, und mit dir dein Diener, bist angeklagt der Ketzerei. Du bist angeklagt, anders zu glauben und zu lehren als die römische Kirche. Du bist angeklagt des Mordes an den Dienern der Kirche.«
Damit mochte er die beiden erschlagenen Landsknechte meinen oder auch die verbrannten Priester. Mir war es längst egal.
»Das Urteil der Heiligen Inquisition lautet Tod durch Verbrennung!« Asendorf bemühte sich redlich, jeden Anflug von Triumph zu unterdrücken, doch gänzlich vermochte er seinen Siegestaumel nicht zu verbergen. Nach jahrelanger Jagd hatte er seinen Erzfeind endlich dort, wo er ihn längst hatte haben wollen. Und diesmal würde es keine falschen Pestkranken geben, um die Hinrichtung zu vereiteln.
Ich zwang mich, einen klaren Gedanken zu fassen – was nahezu unmöglich war, denn jetzt tauchten die Henkersknechte ihre Fackeln in ein Feuerbecken. Der berüchtigte Anfang vom Ende.
Ich sah über die Menge hinweg, hoch über die Dächer der Häuser zu den dunkelgrünen Berghängen jenseits der Stadt. Wir hatten drei Verbündete, irgendwo dort draußen. Angelina, Gregorius und wohl auch Mephisto. Der Hund mochte mit Faustus sprechen können, wie er wollte – befreien konnte er uns nicht. Und Gregorius war vor allem anderen ein fetter Mönch, den die Furcht um das eigene Leben und die Flucht vor seiner Schuld vollkommen nutzlos machten. Blieb allein Angelina. Sie war ein verstoßener Engel des Borgia; das bedeutete, sie konnte mit Waffen umgehen, war schnell und geschickt. Doch Angelina war verletzt und schlimmer noch – allein. Gegen den Hexenjäger und seine Soldaten war sie machtlos.
Die Henkersknechte mit ihren lodernden Fackeln kamen näher.
Beide bückten sich. Hielten die Flammen an unsere Scheiterhaufen.
Die Glut sprang über.
Bis zuletzt hatte ich nicht wirklich daran geglaubt. Hatte es nicht wahrhaben wollen. Jetzt aber sah ich mit aufgerissenen Augen, wie das Holz am Fuße der Plattform Feuer fing. Der Scheiterhaufen brannte!
Mein Herzschlag raste. Mit aller Kraft bäumte ich mich gegen meine Fesseln auf. Ich hörte, wie mein Blut in den Ohren rauschte, als kochte es bereits in den Adern.
Im selben Moment sauste irgend etwas durch die Luft. Kein Pfeil oder Armbrustbolzen. Kein Dolch im letzten Augenblick. Nichts, das meine Fesseln zerschnitt. Das Ding landete vor den Flammen am Boden. Für mich änderte sich nichts. Ich war noch immer gefesselt. Das Feuer brannte weiter. Niemand beachtete das, was herangeflogen war.
Warum auch? Es sah aus wie ein Lumpenbündel. Irgendein unförmiges Knäuel, kaum größer als ein Kopf.
Und doch war da etwas, das ihm den Anschein von Bewegung gab. Es mochte an der Hitze liegen, welche die Luft erflimmern ließ. Vielleicht war es auch nur ein Wahnbild im Angesicht des Todes.
Trotzdem – je länger ich das Ding betrachtete, desto sicherer war ich, daß sich an seiner Oberfläche etwas rührte.
Ja, kein Zweifel. Etwas bewegte sich.
Noch ein Bündel flog heran. Dann ein weiteres.
Ich sah hinüber zu Faustus. Flammen tanzten um den Sockel seines Scheiterhaufens. Auch in ihrer Nähe lagen zwei der merkwürdigen Knäuel. Er sah sie an und verhielt sich vollkommen reglos.
Verdammt, was ging hier vor?
Einige der Männer, Frauen und Kinder am vorderen Rand der Menschenmenge begannen plötzlich, um sich zu schlagen. Ebenso die beiden Henkersknechte.
Asendorf blickte sich verwirrt um.
Auch DeAriel schien ratlos.
Schreie wurden laut. Immer mehr Menschen hoben die Arme, wedelten wild damit umher, sprangen auf und ab und drängten schließlich nach hinten. Innerhalb weniger Herzschläge verwandelte sich der Marktplatz in ein kreischendes Tollhaus. Fast, als griffe die Tanzwut um sich oder…
Wespen! Tausende und Abertausende!
Die Bündel waren nichts anderes als Wespennester, die irgendwer in Lumpensäcke gesteckt hatte. Beim Sturz auf den harten Boden hatten sie sich geöffnet. Die Hitze der nahen Scheiterhaufen tat das ihre, die winzigen Tiere in einen regelrechten Blutrausch zu stürzen. Gewaltige Schwärme brachen surrend und stechend aus ihren zerstörten Nestern hervor und stürzten sich auf alles, was sich regte.
Nur Faustus und ich blieben verschont. Die Flammen, die am Fuße der Scheiterhaufen brannten, schreckten sie ab.
Die Menschenmenge brach schreiend auseinander. Es
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