Die neue Hoffnung der Föderation (Der Dezennienkrieg 1)
an.“
Der rothaarige Offizier, der nach sechs Monaten nicht mehr ganz so leichenblass war und glücklicherweise längst nicht mehr diese entwürdigende orangefarbene Gefangenenkleidung tragen musste, tat es, aber er konnte nichts entdecken.
„Mein Bein“, half Belian ihm aus und drängte die Tränen diesmal zurück. Welches Recht hatte er, einem ehemals Gelähmten, der niemals wieder ganz gesund sein würde, sein Leid zu klagen? „Der Reitunfall.“
Natürlich war es dem sich hier oben nur sehr unwohl fühlenden Offizier keineswegs angenehm, während dieser Eröffnung selbst auf einem Pferd zu sitzen. Ganz unsicher tätschelte Jasko Flores Hals, woraufhin die Stute langsam wieder auftaute und zu dem Schluss kam, dieser Amateur von Reiter sei immer noch netter zu ihr als ihr eigener Besitzer.
„Aber dein Bein ist doch wieder völlig in Ordnung, Etienne. Wärst du auf den Kopf gefallen und hättest einen irreparablen Hirnschaden, könnte ich es ja noch verstehen, aber…“
„Ich hinke, Kristian.“ Wieso musste Belian auch noch darauf hinweisen?
„Aber man sieht es doch kaum!“, hielt der Terraner verdattert dagegen.
„Es ist aber da, und man sieht es eben doch. So was wie das, was mir passiert ist, ist ein Gottesurteil. Ich wäre nicht fähig, die Ehre der Familie in einem Duell zu verteidigen wie ein gesunder Mann. Mein Vormund steht in der Öffentlichkeit. Seine Reputation ist alles. Die Menschen der Auvergne würden niemals einen Gutsherrn akzeptieren, der nicht…“
Jetzt kam Widerspruch, dessen Vehemenz überraschte. „Nun mach aber mal Schluss! Was soll denn der Quatsch? Du redest wie jemand, der minderwertig ist und dessen Leben keinen Wert mehr besitzt!“
Belian lachte bitter auf. „Es ist aber so! Mein Vormund hat bereits davon gesprochen, mich frühzeitig in die Geschäfte einzuführen. Ich soll nicht mehr auf die Ausbildungsanstalt zurückkehren und stattdessen auf dieselbe Weise wie dieses Mal auch zu meinem Abschlusszeugnis kommen. Vermutlich auch nur, weil das teure letzte Halbjahr nebst der finalen Zertifikatsprüfung bereits bezahlt ist. Ich bin für eine Verwaltungsposition im Infrastrukturministerium vorgesehen, oder was noch schlimmer wäre: für den Dienst in Dunoise zum Wohl meines kleinen Bruders Paul, der in einigen Jahren an meiner statt der Nachfolger unseres Vormunds werden wird.“
Er unterdrückte den Drang, die Fäuste zu ballen und fuhr fort:
„Wenn ich Glück habe, wird mir in zehn oder fünfzehn Jahren gestattet, mit einer Frau, die sonst niemand haben wollte, eine Familie zu gründen. Das heißt, wenn sie nicht empfängnisunfähig ist. Mein Bruder wird nämlich ein Mitspracherecht haben, und er kann mich nicht leiden. Daher ist es gut möglich, dass er mir sogar einen derartigen bescheidenen Nebenbeitrag zu unserer Blutlinie verwehrt! Ich werde auf jeden Fall die Insel Auvergne verlassen müssen. Das, was ich als meine Heimat ansehe. Das, was ich erben sollte! Dafür wurde ich geboren und erzogen - und jetzt werde ich es nicht bekommen.“
„Das ist ja entsetzlich!“
„Ja. Und da fragst du noch, weshalb ich keinen Sinn mehr gesehen habe?“ Belian sprach ungerecht, aber er konnte nicht aufhören.
„Nein. Ich meinte das anders! Ich finde abscheulich, wie ihr lebt!“
Dieser halblaute Ausruf ließ Belian entgeistert stehen bleiben, woraufhin natürlich auch Flore anhielt.
In Jaskos Augen stand Mitleid, was Belian verletzte und wütend machte. „Was nimmst du dir eigentlich heraus, so etwas zu sagen? Du lebst bei uns besser als viele Bürger auf dieser Welt, hast genug zu essen, passende Kleidung, sogar einen sehr teuren Medikus, und all das, ohne dafür wirklich arbeiten zu müssen!“
Nun beherrschte der Terraner sich mühevoll. Er sah kurz zur Seite, atmete aus und brachte dann hervor:
„Mir geht es gut, ja. Dafür habe ich aber auch jeden Tag sechs bis zehn Stunden mit dir für dein tolles Eliteinternat gepaukt. Ich habe mir meinen Lebensunterhalt bei deiner Familie verdient! Für mich war das Arbeit! Und soll ich dir mal sagen, was in dem Brief stand, den ich nach neun Wochen endlich als Antwort auf meinen eigenen erhalten habe? Mein Freund Andi und die anderen sitzen noch immer in Dunoise im Gefängnis! Man behandelt sie immer noch wie den letzten Dreck. Sie lassen mich herzlich grüßen und beten vermutlich jeden Tag darum, dass auch sie irgendwann ein solches Glück haben werden wie ich und als Privatlehrer irgendeines verwöhnten
Weitere Kostenlose Bücher