Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)
Waschen! Und zwar so schnell wie möglich und so gründlich wie möglich.
Das hätt’ ich dir nie zugetraut!
Nicht nur die loyalen Teile meines Publikums, die mich durch ihre bloße Existenz und ihr wiedererwachtes Interesse am Gelingen meines Vorhabens bei der Stange hielten und mir den Rücken stärkten, auch die Skeptiker, die Zweifler, die erstaunten Kopfschüttler waren durchaus nützliche Weggefährten in dieser spannenden Zeit der Annäherung an den finalen Triumph.
So erklärte mir beispielsweise ein Kollege anlässlich einer Geburtstagsfeier zu später Stunde und in aller Offenheit, er hätte jederzeit sein gesamtes Vermögen darauf verwettet, dass ich es niemals schaffen würde, das Rauchen aufzugeben, ja sogar, dass mir das Bedürfnis danach gar nie käme.
So sah er mich also.
Irgendwie irritiert fiel mir im ersten Moment nichts anderes ein, als ihm in einem, wie ich hoffte, ironischen Ton zu seiner weisen Zurückhaltung zu gratulieren, immerhin war sein Vermögen unangetastet geblieben. Dann meldete sich allerdings mein Gedächtnis.
Hatte er selbst nicht schon mehrmals versucht, das Laster zu überwinden?
In der Tat, ich erinnere mich.
Es ist natürlich keine Schande zu scheitern.
Aber es ist tausendmal lustvoller, auf der Erfolgswelle zu schwimmen, direkt auf einen schon sehr wahrscheinlichen Sieg zu.
Neid ist also doch die ehrlichste Form des Lobes.
Das kann man wohl sagen.
Und so nahm ich das offene Eingeständnis einer mir unterstellten Schwäche, eines vermuteten Mangels an Kraft oder Disziplin als das, was es eigentlich war: ein Riesenkompliment. Ich machte meinen Rücken so gerade wie möglich und lächelnd prostete ich meinem Gegenüber zu. In mir war nur Freude, schon so weit gekommen zu sein, und Zuversicht, den Rest auch noch zu schaffen, und ich konnte mich in diesem Moment eines gewissen Gefühls des Stolzes nicht erwehren. Doch das stand mir durchaus zu, wie ich fand. Ich hatte mit hohem Einsatz gespielt, das Risiko zu scheitern war sehr groß gewesen, und doch befand ich mich schon auf der Siegerstraße. Also freute ich mich einfach und gab gerne zu, dass das Glück bisher auf meiner Seite war.
Ein zauberhafter Sommertag
Mit jedem Kilo weniger auf der Waage, mit jedem Teil aus meiner Garderobe, das wieder passte, kehrten Freude und Wohlbefinden zurück. Ich hatte bis jetzt gut zehn Kilogramm abgenommen und begann meinem Bild von früher wieder zu ähneln. Ich war schon nahe an der alten Form dran, was mein durch die Unzufriedenheit mit einem unförmigen Körper ziemlich angeknackstes Selbstbewusstsein wieder stärkte.
Als die Tage immer länger und die Temperaturen immer einladender wurden, um in aller Öffentlichkeit die Hüllen fallen zu lassen, wagte ich mich erstmals wieder im Bikini unter die Leute, vorerst noch nicht am ganz großen Badestrand, sondern an einem privaten Pool mit überschaubarer Gästeschar. Trotzdem war das ein mutiger Schritt, denn zur Zeit der Hochblüte des Barockengels hätte ich nicht einmal ein rundes Knie hervorblitzen lassen und hüllte mich vorzugsweise in einen so diskreten wie unattraktiven Schlabberlook.
Ich fühlte mich plötzlich wie eine Heimkehrerin, dabei hatte sich so vieles verändert. Dieses Leben ohne Nikotin, mit neuen Genüssen in einem neuen Bewusstsein war eine Art Rückkehr zu mir selbst auf höherer Ebene, eine durch und durch erfreuliche Wandlung.
Mit jedem neuen Tag ohne Nikotin, mit jedem Euro mehr auf dem Belohnungskonto, mit jedem wärmenden Sonnenstrahl auf meiner Haut wuchsen Wohlbefinden und Selbstvertrauen, gepaart mit einem kräftigen Schuss Stolz auf die erbrachte Leistung. Die vermehrten Komplimente waren die reinsten Streicheleinheiten für die Seele und taten rundum gut. Danke, liebes Publikum!
Eine Weile sonnte ich mich unter den Blicken meiner wiedergewonnenen Bewunderer, dann sprang ich in den Pool. Mit kindlichem Vergnügen planschte ich im Wasser, drehte einige Runden, ließ mich treiben. Das war Lebensfreude pur!
Entgegen einem alten Vorurteil schwamm es sich wesentlich leichter ohne den Barockengel im Huckepack. Dies mochte allerdings auch daran liegen, dass meine nun wieder tadellos gelüfteten Lungen zu erheblich mehr Leistung imstande waren als in den nikotinträchtigen Zeiten, wo ihre Hauptaktivität darin bestanden hatte, mich zum Schnaufen oder zum Husten zu bringen.
Meilenweit von meiner Sucht und deren Handicaps entfernt, zog ich an diesem zauberhaften Sommertag eine höchst erfreuliche
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