Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)
den gefeierten Trend zu verpassen, aus Angst vielleicht vor allerlei Belästigungen durch achtlose Raucher oder auch nur vor drakonischen Strafen durch die Obrigkeit hatten Hotellerie, Gastronomie und sonstige Einrichtungen für das fahrende Volk ein immer engmaschigeres Netz um jeden treuen Nikotin-Liebhaber gelegt, so dass dieser oft gar nicht anderes konnte, als zähneknirschend Verzicht zu üben.
Doch das war leichter gesagt als getan. Und so formierten sich rund um die Uhr und den Globus vor Hotels, Bars und Restaurants und zu Füßen touristischer Highlights jene Hartgesottenen, die weder ein Verbot, noch Sturm, noch Regen, noch Kälte von der Quelle ihrer Lust trennen konnte.
Obwohl mich die Sache eigentlich gar nichts mehr anging, fühlte ich mich immer noch solidarisch mit den armen Gejagten und das zeitgeistige Getue ging mir sehr auf die Nerven. Mir schien, dass es für diejenigen, die nicht jeden Trend mitmachen wollten, ziemlich ungemütlich geworden war auf unserem gesundheitswütigen Planeten.
Solange ich rauchte, war ich jederzeit dazu bereit gewesen, mein Recht auf Genuss zu verteidigen, selbst wenn es sich um einen in gesundheitlicher Hinsicht fragwürdigen Genuss handelte. Doch das Risiko einzugehen oder nicht, war, wie ich fand, ausschließlich meine Sache und ging nur mich etwas an. Da hatte sich niemand einzumischen.
Und außerdem: War Rauchen nicht seit jeher ein Kultritual und dieses warnende Geschrei daher heillos überzogen und in Wirklichkeit nur dazu angetan, uns eine Lust zu vermiesen? Jede Kultur hatte ihre in der Tradition verankerten Drogen – von der orientalischen Wasserpfeife bis zu den Kokablättern der Indios. Unsere legalen Kulturdrogen waren eben Alkohol und Nikotin.
Dieses und ähnliche Argumente hatte ich immer parat gehabt, wenn es darum ging, mein Tun zu rechtfertigen, meine Sucht zu beschönigen und mir selbst ein reines Gewissen zu verschaffen. Aber steckte darin nicht trotz allem ein Körnchen Wahrheit?
Ausflüge in die alte Welt
Wer wie ich ein halbes Leben an die Zigarette gekettet verbracht hatte, für den ist die neue Freiheit zwischen den Fingern anfangs ein durchaus seltsames Gefühl. Und selbst jetzt, wo die Hoffnung, die Sucht überwunden zu haben, täglich wuchs, tauchte fallweise die Erinnerung an das so lange gepflogene Ritual wieder auf und immer noch gab es Momente, in denen ich nach meinem Spielzeug suchte. Ich war ja nach wie vor auch von Rauchern umgeben, ich mied meine rauchenden Freunde nicht, und wenn ich wieder einmal einen Ausflug in die alte Welt unternahm, die ich eigentlich nie ganz verlassen hatte, und prompt in einer gastronomischen Selchkammer landete, um meinem Begleiter nach einem gemeinsamen Essen ein interessantes nikotinunterstütztes Gespräch mit mir zu erlauben, beobachtete ich das Geschehen immer noch mit einer gewissen vorsichtigen Distanz.
Seit ich selbst nicht mehr rauchte, taten dies die anderen offenbar umso mehr, als müssten sie meinen Ausfall kompensieren. Zwar fühlte ich mich längst gefestigt genug, der Gefahr zu trotzen, dennoch blieb ich in solchen Momenten ganz besonders auf der Hut. Da kam mir prompt mein großer Verbündeter zu Hilfe, mein bester Freund, der stets wache Ehrgeiz, der nur eines im Sinn hatte: mich vor dem Scheitern zu bewahren. Ich ging sogar so weit, mit dem Feuerzeug meines Begleiters zu spielen, während wir uns angeregt unterhielten und sein Gesicht immer wieder hinter einer Rauchwolke verschwand, bis ich es überhaupt nur noch unscharf wahrnahm.
Plötzlich drängte sich mir ein ungeheuerlicher Verdacht auf. Vielleicht wehte ja neuerdings nur deshalb so viel blauer Dunst zwischen uns, weil der trendige Zeitgeist die Raucher jetzt auf allerengstem Raum zusammenpferchte, ihnen Geborgenheit unter ihresgleichen vorgaukelte, in Wirklichkeit aber die boshafte Absicht verfolgte, sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen und auf diese Weise möglichst schnell loszuwerden. Und lustgesteuert und gesellig, wie sie nun mal sind, tappen sie tatsächlich in den gemeinen Hinterhalt.
Meine gelegentlichen Ausflüge in die alte Welt standen aber nicht nur unter dem Stern sentimental-philosophischer Überlegungen, sie hatten auch eine sehr reale, höchst irritierende Nebenwirkung. Kaum zu Hause angekommen, merkte ich, dass ich wieder stank wie einst ein übervoller Aschenbecher! Es würde sicher Tage dauern, die alten Duftmarken aus meiner Kleidung zu bekommen, und was die Haare betraf, half ohnehin nur eines:
Weitere Kostenlose Bücher