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Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland (Beck'sche Reihe) (German Edition)

Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland (Beck'sche Reihe) (German Edition)

Titel: Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland (Beck'sche Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Ulrich Wehler
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für den Finanzsektor seit 2008 gewährt worden sind, kann sich dieser vergleichsweise kleine Förderungsbetrag freilich nicht von ferne annähern. So bleibt als Bilanz übrig, dass zwar auch die staatliche Intervention nur in erkennbaren Grenzen zum Erfolg führt, dass es aber zu ihr keine wirkliche Alternative gibt. Wird diese Intervention nicht endlich umfassender in Gang gesetzt, bleibt nur Resignation übrig – verbunden mit extremen sozialen und politischen Folgekosten.

9.

Die Ungleichheit der Geschlechter
    Auf dem Weg zur Gleichberechtigung haben die Frauen in der Bundesrepublik in den letzten vier Jahrzehnten ein großes Stück zurückgelegt. Diese Dimension der Ungleichheit ist in der Bundesrepublik erst ziemlich spät in Frage gestellt worden, ehe sie dann tatsächlich effektiv vermindert worden ist. Von der klassischen Ungleichheitsforschung war sie zunächst stillschweigend übergangen worden. Dass der fundamentale Unterschied zwischen den Geschlechtern seit jeher sozialkulturell überformt und insofern Bestandteil der Sozialen Ungleichheit war, wurde erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts unter dem Eindruck der feministischen Kritik an dieser eklatanten Vernachlässigung als zentrales Feld anerkannt und endlich abgemessen betrachtet. Bis dahin hatte sich die Analyse der Sozialhierarchie ganz an den Männern: an ihrem Einkommen, Beruf und Prestige orientiert, bevor sie die Frauen den Kategorien, mit denen die Männer erfasst wurden, umstandslos zuordnete. Diesem naiven Verfahren mangelte es im Hinblick auf zahlreiche Familien in komplexen westlichen Gesellschaften nicht an Plausibilität. Doch generell wurde es der «Hälfte der Menschheit» nicht gerecht.
    Die Bundesrepublik gehört, wie alle westlichen Länder seit der Phase des Nachkriegsbooms, zu jenen Gesellschaften, in denen die traditionalistische Diskriminierung der Frauen von einer ungleich energischer und prinzipieller als früher argumentierenden «neuen Frauenbewegung» angeprangert und in einem zähflüssigen politischen Prozess Schritt für Schritt formalrechtlich, wenn auch nicht sogleich lebenspraktisch abgebaut wurde. Obwohl noch irritierende Relikte der geschlechtsspezifischen Ungleichheit erhalten geblieben sind, hat die Emanzipationsbewegung zugunsten der Frauen nach jahrzehntelang andauernder Auseinandersetzung zu einer unleugbaren Erfolgsbilanz geführt. Sie sollte Mut machen, den Abbau der verbleibenden, durch den Emanzipationstrend im Kern deligitimierten, gleichheitsfeindlichen Traditionen unter Berufung auf die Gleichberechtigungsnorm des Grundgesetzes (Artikel 3) weiter voranzutreiben. Immerhin gibt es inzwischen mehr Abiturientinnen als Abiturienten, mehr Studentinnen als Studenten, mehr Examenskandidatinnen als -kandidaten. Die Frauenquote in den Parteien und an den Hochschulen ist sichtbar gesteigert worden. Der Kampf um die gesetzliche Einführung der Frauenquote – z.B. 30 Prozent innerhalb der nächsten sechs Jahre – in den Chefetagen der großen Unternehmen wird mit einem Erfolg und der Niederlage der reaktionären Verfechter einer freiwilligen Veränderung in Gestalt einer Flexibilitätsquote zugunsten der starren Machonetzwerke enden. Der Vergleich mit der Frauenquote in Skandinavien, England, Holland, Spanien und den USA demonstriert eindrucksvoll, dass Frauen in Führungspositionen innovativer, kommunikativer, planungssicherer und, wie die gesteigerte Unternehmensrendite zeigt, ökonomisch erfolgreicher als die männliche Konkurrenz operieren. Dieser verbesserte Gewinn müsste eigentlich in jedem kapitalistisch-marktwirtschaftlichen System eine durchschlagende Überzeugungskraft besitzen.
    Der Appell, den Kampf um die Gleichberechtigung in den verschiedenen Lebensbereichen fortzusetzen, ist auch deshalb angebracht, weil eine jüngere Frauengeneration die inzwischen erreichten Erfolge für gegeben und zufriedenstellend hält. Dabei übersieht sie aber leicht, dass sie nicht nur entschieden verteidigt, sondern auch durch die Lösung der verbleibenden Aufgaben ergänzt werden müssen, die sich in der Arbeitswelt, im Bildungswesen, im politischen Leben und in der Privatsphäre sperrig gehalten haben. Nicht zuletzt geht es um die Veränderung der tief verwurzelten gesellschaftlichen Rollenanforderungen an Frauen, wie sie sich durch die Folgen der Sozialisationsprozesse auf die Persönlichkeit und ihre Einstellungen, ihr Motivationsgefüge und ihre Verhaltensweisen auf eine alles andere als leicht zu

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