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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
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Softwarebusiness beschäftigt nicht einmal drei Millionen Menschen. Auch andere Bereiche der indischen Zukunftsindustrien – Biotechnologie, Weltraumindustrie, Arzneimittelherstellung, erneuerbare Energien – sind nicht unbedingt arbeitsintensiv. Gemeinsam ist ihnen und den großen Konglomeraten wie Tata oder Reliance, dass sie eindeutig zu den Globalisierungsgewinnern gehören und sich, anders als ihre chinesischen Konkurrenten, nach der Liberalisierung 1991 weitgehend ohne staatliche Hilfen in einem harten Konkurrenzkampf bewähren mussten. »Das hat uns gestählt«, sagte Babasaheb Kalyani, lange Jahre Mehrheitseigner des Schmiedekonzerns Bharat Forge, Nummer zwei weltweit hinter ThyssenKrupp. »Die Manager, denen zu Hause die Modernisierung ihrer Firmen gelungen war, packte der Ehrgeiz, ihren Erfolg im Weltmaßstab zu wiederholen oder zu untermauern.« Neben Kostenvorteilen und einem boomenden Heimatmarkt mit einer wachsenden Mittelschicht profitieren Inder seiner Meinung nach auch von ihren »besonders kreativen Geschäftsansätzen«.
    Indische Unternehmen gingen auf Einkaufstour in Europa und beließen es dabei nicht nur bei prestigereichen Erwerbungen wie Tata mit den britischen Firmen Landrover und Jaguar oder Videocon mit der Übernahme des französischen Fernsehgeschäfts Thomson. Der Windturbinenhersteller Suzlon beispielsweise, Nummer fünf auf der Welt, ging ganz pragmatisch-strategisch vor und erwarb im Jahr 2007 für 1,35 Milliarden Euro das Hamburger Unternehmen RePower, das in sein Portfolio passt. Während in Hamburg um die hundert neue Arbeitsplätze entstanden, wanderten nach dem Verkauf der Polyester-Abteilung von Trevira an den indischen Reliance-Konzern viele Jobs von Hattersheim nach Indien. Irgendwelche ideologischen Vorbehalte scheinen weder der indische Staat noch die indische Industrie zu kennen. Indien ist inzwischen der größte Waffenimporteur der Welt und kauft hauptsächlich von Russland, aber ebenso in den USA und Europa. Auch im Handel mit der Volksrepublik China gibt es kaum Berührungsängste, und das gilt für beide Seiten: So hat sich der Bombayer Nutzwagenhersteller Mahindra & Mahindra in Nanchang eingekauft, der Technologieriese Huawei eröffnete Forschungslaboratorien in Bangalore und kaufte Spitzeningenieure der indischen Softwarebranche ein.
    Der Aufschwung Indiens, so spürbar für die neue Mittelschicht in den Städten, so profitabel für Unternehmer und Aktionäre, konnte allerdings einige sehr unangenehme Wahrheiten nicht überdecken: Er ging an der Bevölkerung in den Dörfern, wo immer noch gut 60 Prozent der 1,2 Milliarden Inder leben, weitgehend vorbei. Er verstärkte, da es nun viel mehr zu verteilen gab und die politische Klasse an dem Geldsegen teilhaben wollte, sogar die Korruption. Und der Aufschwung beförderte die Arroganz der Herrschenden.
    Beispielhaft führte mir das bei einem Interview Ende der Neunzigerjahre in Ahmadabad der neue starke Mann Indiens vor. BJP -Chef Atal Bihari Vajpayee erklärte Indien kurzerhand zum Vorbild für die Welt, zum »Guru der Nationen«. Die Zukunft sei »strahlend«, ausländische Investoren dürften sich anstellen, um an dem Erfolg Delhis teilzuhaben. Vajpayee war einige Wochen im Jahr 1996 und dann von 1998 bis 2004 Premierminister. In seine Amtszeit fiel ein Atomwaffentest, dem Pakistan prompt seine eigene Nuklearexplosion folgen ließ. Einen Angriff pakistanischer Militanter, unterstützt wohl auch von der Führung in Islamabad, schlug Indien erfolgreich zurück. Dieser außenpolitische Triumph sowie Vajpayees unbestreitbaren ökonomischen Erfolge in den Großstädten schienen ihm seine Wiederwahl zu garantieren. »Shining India« – Glänzendes Indien – hieß der Wahlkampfslogan der BJP , Meinungsumfragen sahen die Hindu-Partei klar vorn. Doch wieder einmal machten die Wähler einem Favoriten einen Strich durch die Rechnung: Die Landbevölkerung senkte den Daumen über eine Regierung, die ihr keine spürbare Verbesserung des Lebensstandards gebracht hatte. Die Niederlage der BJP bedeutete im Jahr 2004 auch das Comeback einer Dynastie, der Kongress mit Sonia Gandhi war nun wieder am Ruder. Doch die Frau, die ihre Schwiegermutter und ihren Ehemann der Politik geopfert hatte, zögerte. Obwohl sie von allen bedrängt wurde, verzichtete sie auf das wichtigste politische Amt im Land. Sie suchte einen Stellvertreter, vielleicht auch nur den Zeitgewinn, bis eines ihrer Kinder so weit war. Ihrer Partei schlug sie den

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