Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
Vom Netzwerk:
der BP -Studie »Energy Outlook 2030« wird Indiens Energieverbrauch in den nächsten 15 Jahren mit plus 115 Prozent noch stärker steigen als der anderer BRICS -Staaten wie China (plus 72 Prozent) und Brasilien (plus 57 Prozent).
    Dennoch sind – jenseits der hausgemachten Probleme – die Aussichten nicht durchgehend negativ, auch wenn das Jahr 2013 ökonomisch sehr enttäuschend verläuft. »Der Pessimismus, den viele Kommentatoren gegenwärtig in Sachen Indien verbreiten, ist fehl am Platz«, stellt der international renommierte Wirtschaftswissenschaftler Jagdish Bhagwati von der New Yorker Columbia University fest. Da Neu-Delhi von Exporten nicht so stark abhängig sei wie Peking, könnte es, von einem starken Binnenmarkt und einer hohen Sparquote getragen, längerfristig wenig beeindruckt von äußeren Einflüssen konstant wachsen.
    Viel spricht nach Ansicht von Experten dafür, dass liquide indische Unternehmer wieder verstärkt in Deutschland auf Beutezug gehen. In der zurückliegenden Dekade gab es 69 Transaktionen, bei denen Konzerne vom Subkontinent deutsche Mittelständler übernommen haben – das sind sogar zehn Deals mehr als vergleichbare chinesische Erwerbungen auf unserem Markt (die allerdings waren vom Gesamtvolumen her eindrucksvoller). Während Firmen aus der Volksrepublik hauptsächlich an deutschen Maschinenbauern interessiert sind, stehen in Indien deutsche Autozulieferer, IT -Firmen und Pharmahersteller hoch im Kurs. Ein lange angepeiltes Freihandelsabkommen könnte dem bilateralen Business nun bald zusätzlichen Schwung verleihen.
    Und noch etwas scheint für Neu-Delhi zu sprechen: die demografische Entwicklung. Etwa im Jahr 2030 wird es genauso viele Inder wie Chinesen geben (etwa 1,45 Milliarden), danach wird Indien seinen Vorsprung in Sachen Bevölkerung immer weiter ausbauen. Lange Zeit hielt man die höhere Geburtenrate auf dem Subkontinent für einen Nachteil, doch heute sprechen Experten von einer »demografischen Dividende« zugunsten Indiens. Anders als in China (und in Europa) überaltert hier die Gesellschaft nicht, die anfallenden Kosten für Pensionen und Gesundheitsfürsorge können auf mehr Schultern verteilt werden. Heute ist etwa die Hälfte aller Inder unter 25. In 15 Jahren dürften schätzungsweise 68 Prozent der Bevölkerung das arbeitsfähige Alter erreicht haben, eine potenzielle Belegschaft von 980 Millionen im Gegensatz zu etwa 450 Millionen heute. Normalerweise hilft eine solche demografische Entwicklung einer Nation beim Wirtschaftswachstum – wenn es denn gelingt, die nachwachsende Generation gut auszubilden und ihr adäquate Jobs anzubieten. Um das zu erreichen, muss Indien aufhören, Krieg mit sich selbst zu führen; muss eine politische Führungsschicht abschütteln, die nur an sich selbst denkt; muss einen genauen Blick auf Probleme und Zahlen besitzen. In einem kühnen Schritt hat die Regierung jetzt immerhin begonnen, jeden der 1,2 Milliarden Inder elektronisch zu erfassen. Sie ist mit hochmodernen Iris-Scannern bis in die letzten Winkel zwischen den eisigen Höhen des Himalaja im Norden und den Palmenstränden im südlichen Kerala, von den Dschungeln der Andamanen-Inseln im Osten bis zur Wüster Thar im Nordwesten vorgedrungen. Keine technische Spielerei, sondern die Voraussetzung für eine besser geplante Politik.
    Indien besitzt eine bemerkenswert moderne Verwaltungsstruktur – in der Theorie. Indien hat unabhängige Gerichte und eine alle Bürger gleich behandelnde Polizei – auf dem Papier. Indien verfügt über brillante Schulen, Universitäten und Weltklasse-Hightech-Firmen, zu denen jedermann Zugang hat – wenn er denn die nötigen Verbindungen hat. Die indische Zivilgesellschaft strotzt vor Kraft, der Pluralismus vibriert, die Demokratie lebt. Und doch bleibt dieses Indien das Ja-Aber-Land. Ja, langfristig wird sich zeigen, dass hier der Fortschritt nachhaltiger ist als in einem autoritären System. Aber was heißt langfristig, und wie kann man die Wartezeit bis zu der angeblich zwangsweise kommenden goldenen Ära sinnvoll überbrücken, sie verkürzen?
    Hunderte Millionen auf dem Subkontinent stellen sich diese Fragen gar nicht. Sie tun etwas. Sie versuchen, mit Optimismus und Tatkraft ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, und darunter sind besonders viele junge Frauen. Sie arbeiten beispielsweise in den Call-Centern, die überall am Rand der großen Städte in Sonderwirtschaftszonen entstanden sind. Sie machen aus dem

Weitere Kostenlose Bücher