Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
den Baldachin an, als wäre er schuld an allem. Der Schmerz über Tris' Worte wich weißglühender Wut. Sie würde ihn dazu bringen, dass er seine Worte bereute. Sie würde ihm beweisen, dass sie nicht so flatterhaft und oberflächlich war, wie er dachte. Und zusätzlich würde sie alles daransetzen, seine gleichgültige Haltung ihr gegenüber zu sabotieren. Sein Körper wollte sie, egal, was sein Kopf dazu sagte. Das war immerhin ein Anfang.
Mit der Verfolgung dieses Ziels begann sie unverzüglich. Schon beim Mittagessen plauderte sie aufgeweckt mit allen am Tisch, ignorierte Tris' Einsilbigkeit und bombardierte ihn mit Fragen, die er nicht einfach mit Ja oder Nein oder verbissenem Schweigen beantworten konnte.
In den nächsten Tagen wurde offensichtlich, dass die Gesellschaft auf La Mimosa Gegeneinladungen nach sich zog. Troy half Marie dabei, sie zu lesen, und gratulierte ihr anerkennend zu ihren Fortschritten. Nach dem Abendessen legte Marie die Kärtchen auf den Tisch und schenkte Tris ein strahlendes Lächeln. »Wir haben so viele Einladungen bekommen, die nächsten Wochen können wir jeden Abend woanders hingehen.«
Tris schüttelte den Kopf. »Keine Zeit.«
Maries Augen verengten sich, aber sie lächelte weiter. »Kontakte sind wichtig. Genauso wie eine gute Nachbarschaft.«
»Du kannst dabei neue Kunden gewinnen«, warf Troy ein. »Marie hat eine wunderbare Art, mit Menschen umzugehen. Ich wette, sie schwatzt ihnen im Handumdrehen unseren halben Weinkeller auf.«
Tris drehte die Kärtchen zwischen den Fingern. »Vielleicht hast du Recht«, meinte er nachdenklich, und Marie dachte, dass ihm vermutlich gerade eingefallen war, dass er in Zukunft an den Abenden über sehr viel freie Zeit verfügte.
»Dann ist es also beschlossene Sache?«, fragte sie.
Er nickte. »Ja. Troy und du könnt so viele Gesellschaften besuchen, wie ihr wollt.«
Maries Lächeln gefror, und sie vergaß wieder einmal alle Diplomatie. »Damit sich alle Welt das Maul zerreißt?«, fragte sie scharf. »Willst du nicht nur mich, sondern auch deinen Bruder in Verruf bringen?«
»La Mimosa gehört ihm ebenso wie mir. Auch er ist ein Chevalier de Rossac. Es ist an der Zeit, dass er etwas für den Namen tut. Und um Troys Ruf musst du dich nicht sorgen. Der ist hier in der Gegend so rein wie frisch gefallener Schnee, nicht wahr, Bruder?«
Troys Wangen bekamen Farbe. »Schnee hat die Eigenschaft, bei Hitze zu schmelzen. Vergiss das nicht«, bemerkte er spitz.
»Wie könnte ich.« Tris hob die Brauen.
»Ich habe solche Debatten satt«, mischte sich Marie ein und blickte ihren Ehemann wütend an. »Du willst dich nicht mit mir sehen lassen, das habe ich verstanden. Du bist so stur und unbelehrbar wie ein Maulesel. Troy hat dir die Vorteile aufgezählt. Wenn du das alles leichtfertig verschenken willst, dann tu es. Ich nehme die Einladungen entweder in deiner Begleitung an, Tristan de Rossac, oder ich bleibe zu Hause, und deine Weinflaschen können Schimmel ansetzen. Was kümmert es mich!«
»Ja, was kümmert es dich?«, fragte Tris unerwartet aggressiv. »Glaubst, du kommst hierher, und alles wendet sich zum Guten, bloß weil du Staub wischst und den Gästen Honig ums Maul schmierst?«
Marie stützte die Hände in die Hüften. »Ich weiß es nicht. Zumindest versuche ich, etwas zu ändern. Ganz im Unterschied zu dir. Du trottest glücklich und zufrieden den Pfad entlang, der La Mimosa in den Untergang führt.« Sie ging einen Schritt auf ihn zu. »Und wenn du dich erinnern möchtest, ich habe dir bereits gesagt, warum ich es tue. Weil das hier alles ist, was ich noch habe.«
Stille hing wie eine dunkle Wolke im Raum. Marie sah Tris unverwandt an und schließlich war er es, der den Blick abwandte. Er trat zum Tisch, nahm eine der Karten und hielt sie hoch. »Gut. Diese hier. Morgen.«
Marie nahm ihm die Karte aus der Hand. »Du kommst mit?«, vergewisserte sie sich nach einem Blick auf die Karte.
»Ja. Reicht mein Wort, oder soll ich auf die Bibel schwören?«
»Ich halte dich für einen Ehrenmann, also reicht dein Wort.« Sie schob die restlichen Karten zusammen und legte sie aufs Kaminsims. »Ich freue mich, dass du deine Meinung geändert hast«, fügte sie hinzu und lächelte ihn versöhnlich an. Doch ein Satz von ihm reichte, um ihr das Lächeln vom Gesicht zu wischen.
»Und ich hoffe, dass ich es nicht bereue.«
Marie nutzte die Einladung, um schamlos auf die Vorzüge des auf den Weinbergen von Rossac angebauten Tropfens
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