Die Niete Im Bett
Hamburg ins Kino geht, wäre ich zu Hause geblieben. Die Schlange ist fünfzig Meter lang, die Leute stehen bis raus auf die Straße. Bei meinem Glück stehe ich gleich an der Kasse, und der Mann vor mir hat mir die letzte Karte für den Film vor der Nase weggeschnappt. Nach einer Viertelstunde bin ich an der Reihe, und vor mir steht kein Mann, sondern eine Frau, und die bekommt gerade gesagt, dass der Mann vor ihr die letzte Karte für den Film gekauft hat. Aber man könnte sich ein anderes französisches Drama anschauen, in dem es um ein Paar geht, das sich wegen schlechtem Sex getrennt hat. Ich habe das Plakat gesehen, und wie bei den meisten französischen Filmen, die in Programmkinos laufen, waren die Fotos düster, und alle hatten Augenringe wie die Panzerknacker und haben geweint oder geraucht; auf einigen Fotos war auch noch die verfallene Mauer einer Burgruine zu sehen, auf der eine Frau saß und blicklos in die Landschaft starrte. Natürlich hat sie auch geraucht. Und natürlich schaue ich mir jetzt keinen Film an, in dem sich ein Paar getrennt hat, weil der Sex so schlecht war.
»Hallo, Leo«, sagt da jemand zu mir, und die Frau vor mir hat sich gerade umgedreht, und es ist Mia. Sie sieht traurig aus, und ich möchte sie so gern in den Arm nehmen.
Stattdessen sage ich »Ach, hallo« und warte ab.
»Wolltest du auch ins Kino gehen?«, fragt sie, und ich nicke.
»Tja, da haben wir wohl beide Pech gehabt«, sagt Mia.
»Lass uns reden«, bitte ich sie. »Nicht hier in der Kälte. Und ich will auch nicht irgendwo in eine laute Kneipe. Lass uns zu dir oder zu mir gehen.«
»Was ist, wenn ich gar nicht reden will?«
»Mia, ich kenn dich. Natürlich willst du. Du findest die Situation doch genauso beschissen wie ich.«
»Das stimmt.«
Sie hakt sich bei mir unter. Das ist doch schon mal ein gutes Zeichen.
»Wir gehen zu mir«, sagt Mia.
Es schneit, die Flocken bleiben auf der Straße liegen, und bald wird alles weiß sein. Und wir werden gemütlich auf Mias Sofa liegen und uns mit der großen Decke zudecken, lange reden und dann vielleicht noch zusammen kochen. Ich finde, das ist ein schöner Sonntag.
Mia
Keine Ahnung, warum ich Leonhard jetzt mitnehme. Ich bin ja eigentlich sauer auf ihn, verletzt noch dazu, und außerdem fühle ich mich hässlich, weil ich nur von einem Mann angesprochen wurde, der mich gackern hören und einen flotten Dreier mit mir und seinem Freund machen wollte. Das muss man auch erst mal verkraften. Natürlich hätte ich noch länger in dieser Bar bleiben können, aber wer weiß, was dann noch passiert wäre. Nein, nein, nein.
Ich bin auch sehr froh, dass ich nicht in einer Übersprungshandlung noch jemanden angesprochen und mit nach Hause genommen habe, nur um mir was zu beweisen. Der schale Nachgeschmack am nächsten Morgen ist doof, das weiß ich aus Erfahrung.
So ist es, glaube ich, besser. Eine Aussprache mit Leonhard ist nicht das Schlechteste.
Ich will ihn ja auch nicht verlieren. Er ist der beste Freund, den ich jemals hatte.
Und wenn der doofe Streit aus der Welt geschafft ist, wird alles wieder gut.
Leo
Ist das gemütlich! Draußen hat ein Schneesturm eingesetzt, und wir lümmeln auf dem Sofa, nippen an dem heißen Tee, den Mia gekocht hat, und essen Stollen und Zimtsterne dazu. Das Radio bedudelt uns mit Weihnachtsmusik, und ich strecke mich wohlig. Die Decke ist groß genug für uns beide, und Mia hat ihre Füße unter meine Beine gesteckt, weil sie wie immer kalt sind.
Wir haben geredet und geredet, und nun schweigen wir. Es ist ein gutes Schweigen, kein peinliches. Das ist ja auch so etwas, das ich so verdammt gut mit Mia kann: schweigen. Aber das erwähnte ich schon. Ich finde, wenn man mit einem Menschen gut schweigen kann, ist das schon die halbe Miete. Dann ist die Beziehung, welche auch immer, mit diesem Menschen okay.
Wir haben uns ausgesprochen, und jetzt kann ich Mia verstehen.
»Weißt du, wie ich mich gefühlt habe, als du gesagt hast, du willst, dass ich einfach mal so mit dir schlafe, um dir dein sexuelles Selbstbewusstsein wiederzugeben?«, hatte sie mich gefragt. »Versetz dich einfach mal in meine Lage. Was hättest du denn gedacht?« Und damit hatte sie recht.
»Davon mal ganz abgesehen will ich gar nicht mit dir schlafen, und zwar aus einem ganz wichtigen Grund: Ich will dich nicht verlieren, Leonhard, ich will unsere Freundschaft nicht wegen so was aufs Spiel setzen, Freundschaftsdienst hin oder her.«
»Ich dich auch nicht«, hatte ich
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