Die Niete Im Bett
und die anderen starren uns weiter ungeniert an.
»Glücklicherweise«, sagt eine andere und kreischt dann fast vor Lachen.
Noch nie in meinem Leben habe ich mich so gedemütigt gefühlt.
Noch nicht mal an meinem Geburtstag, als Sarah diese gewissen Worte über meine fehlenden Liebhaberqualitäten sagte.
Eine der Frauen kommt näher, bleibt vor Mr. Bean stehen, schaut ihm auf den Unterleib und haucht: »Oooooh!«
Jetzt fühle ich mich noch beschissener, weil sie nicht vor mir stehen geblieben ist.
Das Leben ist momentan sehr ungerecht zu mir, finde ich.
Mia
Mit Edda werde ich noch ein Hühnchen rupfen, wenn wir hier wieder raus sind. Aber ein sehr großes Hühnchen. Jetzt hocken wir in einem Aufenthaltsraum zusammen mit ungefähr hundert Lesben und verteilen Geschenke. Alle haben etwas mitgebracht, und die Insassinnen freuen sich total über Plastiksalatbesteck ohne scharfe Kanten, Pixi-Bücher für die Kinder, die hier mit ihren Müttern wohnen, Sudoku-Rätselhefte, Haarfärbemittel, Salmiakpastillen und natürlich Zigaretten. Mein Mitbringsel, also das, das Edda für mich besorgt hat, ist natürlich das dämlichste von allen: ein Einweg-Nussknacker, also völlig sinnfrei. Die beschenkte Lesbe sieht auch nicht so aus, als könne sie unglaublich viel damit anfangen, wahrscheinlich, weil sie eine Nussallergie hat. Oder weil sie es doof findet, dass man damit nur eine einzige Nuss knacken kann, so steht es nämlich auf der Verpackung.
»Toll, danke. Ich bin übrigens die Biggi und sitze wegen bewaffnetem Raubüberfall«, sagt sie und gibt mir lahm die Hand.
Was soll ich denn dazu sagen? Dass mich das freut?
»Echt?«, sage ich schließlich. »Was … was hast du denn überfallen?«
»Ach, ein paar Läden«, erzählt die Biggi und packt den doofen Nussknacker aus. »Wenn man eine Pistole zieht, geht es einfacher, dann geben die Leute einem sofort das ganze Bargeld.«
»Echt?«, sage ich wieder, und ich glaube ihr sogar.
»Mhm.« Jetzt hält sie den Nussknacker wie einen Revolver vor sich, richtet ihn auf mich und sagt: »Hände hoch und her mit dem Geld, aber dalli!« Dann kichert sie hysterisch.
»Hahaha«, mache ich pflichtschuldig und beschließe, Edda mindestens einen Zahn ohne Betäubung zu ziehen. Das schaffe ich, wenn Biggi mir den Knacker leiht.
Edda hat mich also zu einer SoLeNo, einer Solidaritätsversammlung der lesbischen Frauen Norddeutschlands mitgeschleppt. Biggi erklärt es mir. Randgruppen bekommen Besuch, und dadurch wird ihnen versichert, dass sie trotz allem noch zur Gesellschaft gehören. Es wird gemeinsam gekocht, gelesen, gemalt, gesungen und so weiter und so fort. Es gibt natürlich auch was zu trinken. Kein Alkohol, aber Wasser und Apfelsaft, Kaffee und Tee.
»Für mich bitte keinen Milchkaffee. Ich habe doch diese schlimme Allergie«, sagt Edda leidend, und alle haben wahnsinniges Mitleid mit ihr. »Du Arme!« − »Wie kannst du nur damit leben?« − »Entsetzlich. Da sitze ich lieber noch ein Jahr länger, als dass ich eine solche Allergie in Kauf nehmen würde.«
Heute Abend wird im Frauengefängnis gebastelt. Weil bald Weihnachten ist, fertigt man Strohsterne und Kastanienmännchen, man filzt kleine Nikoläuse und die Drei Heiligen aus dem Morgenland, und man bestickt Deckchen mit Engelchen und Rentieren. Ich versuche, mit Watte und einer Klopapierrolle einen Schneemann zu basteln. Da ich aber noch nie besonders gut in handwerklichen Dingen war, ist das Unterfangen schwierig. Dann meldet sich Gott sei Dank meine Blase. Ich überlasse das Basteln den anderen und mache mich auf die Suche nach der Besuchertoilette.
17
Leo
Mr. Bean hockt neben mir und starrt sein Bierglas an.
»Wie peinlich«, wiederholt er immer wieder. »Wie peinlich.«
»Noch zwei?«, fragt die Bedienung, und ich nicke. Wir sind Hals über Kopf aus dem Kulturzentrum geflüchtet, auf den Kiez gerannt und dort in die erstbeste Lokalität gegangen, um bloß nicht gefunden zu werden.
Mr. Bean schaut sich um. »Das ist ja ein Puff«, sagt er dann. »Wieso sind wir denn jetzt in einem Puff?« Resigniert nimmt er einen Schluck Bier. »Ist ja auch egal.«
Wir sitzen auf Hockern, die mit rotem Samt bezogen sind, die diffuse Beleuchtung lässt die Bedienung zehn Jahre jünger wirken, und neben uns sitzen gelangweilte Nutten und taxieren uns mit Blicken.
»Ich dachte, das sei eine normale Bar«, sage ich. »Man kann hier bestimmt auch nur was trinken. Wie im Restaurant halt.«
»Klar«, sagt die Bardame.
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