Die Niete Im Bett
überlege kurz. »Ich persönlich würde vor zehn Kursteilnehmern im Kulturzentrum St. Pauli, einem Wallebart, Arbogast, Roderich und fünfzehn Frauen, die Kleidchen für Handpuppen nähen wollen, keine Erektion bekommen.«
»Arbogast hat aber gesagt, dass das ein gutes Zeichen ist, dass ich meine Männlichkeit akzeptiere«, versucht Mr. Bean sich rauszureden. »Er sagt, dass ich positiv auf die Frauen gewirkt hätte und dass sich alle anwesenden Männer von mir eine Scheibe abschneiden können. Und Roderich hat gesagt, dass im Prinzip alle eine Erektion hätten kriegen sollen, das ist ja das Ziel gewesen. Die Erektion zuzulassen, seinem Schwanz das Kommando geben. Das spüren Frauen instinktiv. Da ist auch noch der alte Fortpflanzungstrieb mit drin in uns, meinte Roderich. Also eigentlich kann ich froh sein, dass die Kursteilnehmerinnen hereingeplatzt sind.«
Ich bin nicht froh, sage das aber nicht, weil ich keine Lust auf weitere ausschweifende Erklärungen habe.
»Warum hast du dich eigentlich bei den Seminaren angemeldet, wenn du glaubst, dass das alles nichts bringt?«, fragt Mr. Bean schlecht gelaunt.
»Das behaupte ich doch gar nicht«, verteidige ich mich.
»Indirekt schon. Du machst dich die ganze Zeit lustig. Mir kommt es so vor, als ob du dich eigentlich für den absoluten Kracher hältst und nur leider keine Gelegenheit bekommst, das unter Beweis zu stellen. Das glaube ich, mein lieber Leo.«
Vielleicht hat er damit sogar recht. Ich könnte natürlich auch mal zu einem ganz normalen Sexseminar gehen, so was wie Tantra zum Beispiel, aber ich glaube, dass das noch weniger bringt als dieser Dosenöffner-Kram. Andererseits: Wer sagt denn, dass ich nicht doch was gelernt habe? Mit Mia war es ja super, warum sollte es nicht auch bei anderen super sein?
Plötzlich habe ich eine Idee.
Und die werde ich gleich in die Tat umsetzen. Dass ich darauf nicht gleich gekommen bin!
»Ich gehe nach Hause«, sage ich zu Mr. Bean.
»Von mir aus. Dann gehe ich eben auch nach Hause.«
Ich gehe – aber natürlich nicht nach Hause.
Mia
Seit einer Stunde bin ich jetzt hier drin, und nichts ist passiert. Ein halbes Stündchen habe ich geschlafen, und jetzt liege ich wach, warte und starre vor mich hin. Wenigstens habe ich eine Uhr.
Die können mich doch hier nicht einfach schmoren lassen. Ein paar Mal stehe ich noch auf und schreie um Hilfe, aber es passiert immer noch nichts. Hunger habe ich auch. Ich möchte nicht in einer ausrangierten Gefängniszelle sterben. Was sollen denn die Leute denken?
Ich stehe auf und drehe den Wasserhahn auf. Gott sei Dank kommt auch welches. Während ich mir die Hände wasche und mein Gesicht mit Wasser bespritze, denke ich darüber nach, dass es ja doch ziemlich scheiße ist, was mir in den letzten Tagen so passiert ist. Eigentlich war alles scheiße.
Nein, nicht alles, ich muss mich korrigieren.
Der Sex mit Leonhard war großartig.
Wenn ich an Leonhard denke, geht es mir besser, trotz allem, was er danach zu mir gesagt hat.
Ich mag ihn einfach sehr.
Er ist ein guter Freund, mein bester.
Aber nicht mehr.
Leider.
…
Huch. Leider?
Ich lege mich auf die schmale Pritsche und beginne über Leonhard und mich nachzudenken.
Warum ich das ausgerechnet jetzt tue, weiß ich auch nicht. Wahrscheinlich ist es die ungewohnte Ruhe, die mich dazu bringt.
Leo
Vor Sarahs Wohnhaus in der Oderfelder Straße in Harvestehude bleibe ich stehen und versuche, langsam und gleichmäßig in den Bauch zu atmen. Das soll beruhigen und gelassen machen. Da ich nämlich die Befürchtung habe, gleich eine Panikattacke zu bekommen, ist es wichtig, ruhig und gleichmäßig zu atmen, dann hat die Attacke angeblich keine Chance. In der U-Bahn habe ich mal ein Gespräch zwischen zwei Frauen belauscht, die dieses Thema am Wickel hatten.
Gut. Noch einmal durchatmen.
Sarah ist zu Hause, in ihrer Küche brennt Licht. Oder sie ist weggegangen und hat das Licht angelassen.
Ich tue es jetzt einfach. Ich ziehe das durch. Ich bin ein mutiger Mann. Wer es überlebt hat, im Kulturzentrum vor einer Gruppe Nähkursteilnehmerinnen sein Ding zu schwingen, während er nur ein T-Shirt mit der Aufschrift »Mein Schwanz ist der beste!« trägt, dem ist nichts mehr peinlich.
Meine Güte, bin ich feige? Ich klingle immer noch nicht und fühle mich wie ein ausgemergelter Kriegsgefangener, der nach acht Jahren Lager aus Russland zurückgekehrt ist und hofft, dass seine Frau ihn nicht zwischenzeitlich für tot erklärt und
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