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Die Nirgendwojagd

Die Nirgendwojagd

Titel: Die Nirgendwojagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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seinem angespannten Gesicht kündeten eindringlicher als alle Worte von der Gefahr, die sie umgab. Allein bei dem Gedanken an diese Giftpfeile spürte Aleytys eine Kälte zwischen ihren Schulterblättern, und deshalb zog sie nun wesentlich begeisterter. Sie umrundeten die Mauern und blieben vor einem Tor stehen, dessen poröses Holz mit einer dunklen Substanz behandelt worden war, die es härtete und ansehnlich gesprenkelt aussehen ließ.
    Quale glitt an ihr vorbei und hämmerte gegen das Holz. „Blaur, mach auf”, brüllte er. „Wenn du schläfst, haue ich dich windelweich!”
    Er schlug wieder dagegen. Hinter ihnen im Nebel wurde ein jäher Schrei ausgestoßen, und ein Pfeil fuhr an seinem Arm vorbei, schrammte über das Holz und fiel zu Boden. „Beweg deinen Arsch, Mann! Grünies!”
    Als Aleytys den Pfeil vom Holz abprallen und mit der Spitze voran zu Boden fallen und dort steckbleiben sah, warf sie sich auf Hände und Knie und huschte unter den Transporter. Hinter sich hörte sie ein Stoßen und Kratzen und erübrigte einen Augenblick, um zu hoffen, daß die Männer innerhalb der Mauern keine Zeit verschwendeten, dieses Tor zu öffnen. Sie konnte sehen, wie Quale und Szor hinter dem Transporter Deckung nahmen und sorgfältig zielend auf dunkle Gestalten feuerten, die im Nebel auftauchten und sofort wieder verschwanden, immer wieder, unwirklich wie Gespenster.
    Hinter sich hörte sie Huuts Füße über den harten Boden scharren.
    Sie sah sich um, fragte sich, warum er so lange gebraucht hatte, bis er zurückfeuern konnte. Er hob sein Gewehr, die Augen weißgerändert und starr, den Blick auf Quales Rücken geheftet, der Haß darin erschreckend in seiner Intensität. Ohne nachzudenken warf sie sich auf seine Beine, bevor er den Stecher durchziehen konnte.
    Die beiden wälzten sich über den Boden, rangen um die Waffe, und ein Schwarm Pfeile regnete um sie herum nieder. Aleytys hörte ein fleischiges Schlagen und fühlte, wie sich Huut unter ihr verkrampfte.
    Verzweifelt rollte sie weg, um den Transporter zu erreichen, aber ein letzter Pfeil durchbohrte ihre Handfläche und nagelte sie an den Boden.
    Da war ein Brausen in ihrem Blut, eine Todesangst loderte in ihrem Gehirn. Entsetzt krümmte sie den Rücken, ihr ganzer Körper zuckte, und ihr Verstand griff nach der Sicherheit des schwarzen Stromes … Ihr Griff war ein rasender Sprung ins Nichts, ein Sprung, der beinahe fehlging, als das Gift von ihr Besitz nahm, aber dann zapfte sie ihre Kraft an, und das heilende Wasser strömte in sie hinein, spülte das Gift fort, baute die zerstörten Nervenzellen wieder auf, und sie brach in unsagbarer Erleichterung zusammen und preßte sich flach gegen die Erde. Als das Brennen verklungen war, lag sie keuchend da, bis sich ihre Panik legte, dann zog sie den Pfeil aus ihrer Hand und schleuderte ihn weg. Sie lockte ein paar strähnige Ausläufer des Wassers zu sich zurück, heilte den Schnitt in ihrer Handfläche, rollte herum, stieß sich auf Hände und Knie hoch und blickte in die Runde.
    Huut lag neben der Transportwagen-Deichsel — ein Pfeil steckte in seiner Kehle. Das Tor war offen. Männer rannten vorgebeugt, wachsam auf den Transporter zu. Hinter sich konnte sie jemanden -
    Quale oder Szor - noch immer auf kaum sichtbare Schatten im Nebel schießen hören. Zitternd kam sie auf die Füße und stolperte zum Tor hinüber, ihr Verstand in Aufruhr.
    Ohne sich um die erschrockenen Blicke zu kümmern, die ihr folgten, taumelte sie durch die Öffnung, wandte sich nach rechts und ließ sich auf ein über mehrere Holzklötze gelegtes Bett fallen. Sie lehnte ihren Kopf gegen den Stein und schloß die Augen, zitternd, eine verspätete Reaktion auf ihren intensiven Kontakt mit dem Tod — hätte das Gift nur um den Bruchteil einer Sekunde schneller gewirkt, so hätte sie keine Zeit oder Kraft mehr gefunden, es zu neutralisieren.
    Ihr Wissen, daß sie so ziemlich jede Verletzung an sich heilen konnte, daß sie schneller und stärker und mit mehr Hilfsquellen ausgestattet war als ein normaler Mann oder eine normale Frau, dieses Wissen hatte sie sorglos gemacht, hatte sie in Versuchung geführt, Risiken einzugehen, die eine Person, die sich ihrer Sterblichkeit bewußter war, vermieden hätte. Ich hätte schreien können, dachte sie. Hätte Quale zurufen, ihn warnen und selbst damit fertig werden lassen können. Daran habe ich nicht einmal gedacht. Denken. Ich habe mir nicht die Mühe gemacht zu denken. Mit einem unsicheren

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