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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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geschickt, einer von denen, die dir beim Tischdecken und Abwaschen helfen. Er würde sich bestimmt nicht weigern, den Fußboden zu fegen – obwohl ich das nicht zulassen würde. Er würde sich Fernsehserien mit mir anschauen und später kommentieren, sich meine Klagen anhören, niemals übertreiben: Er fände immer das richtige, angemessene Wort, bewahrte in jeder Situation ruhig Blut, und wenn ein Unglück einträte, ein Erdbeben, ein Bürgerkrieg, eine nukleare Katastrophe, würde er nicht wie ein Hase davonlaufen oder hysterisch werden, er würde mir beim Kofferpacken helfen, aufpassen, dass die Kinder nicht vor Schreck oder Überdrehtheit nach draußen rennen und mir abhandenkommen, immer entspannt, immer einen kühlen Kopf behaltend, vor allem aber immer zu dem einmal gegebenen Wort stehend, zu der eindeutigen Haltung, die man von ihm erwartet.
     
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    Gedichte von Amado Nervo (» Los jardines interiores« ; » En voz baja« ; » Elevación« ; » Perlas negras« ; » Serenidad« ; » La amada inmóvil« ). Laurence Sterne, »Viaje sentimental« (Colección Austral, Espasa Calpe). Matsuo Basho, »Senda hacia tierras hondas« (Hiperión).

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    Von allen Angewohnheiten, erinnerte sich Amalfitano, verteidigte Padilla vor allem die des Rauchens. Das einzige, was jemals Katalanen und Kastilier, Asturier und Andalusier, Basken und Valencianer verbrüdert hat, war die Kunst, der fürchterliche Umstand, gemeinsam zu rauchen. Padilla zufolge gibt es in der spanischen Sprache keinen schöneren Satz als den, mit dem man um Feuer bittet. Ein schöner, ein heiterer Satz, wie um ihn zu Prometheus zu sagen, voller Kraft und bescheidener Komplizenschaft. Wenn ein Bewohner Spaniens »gibst du mir Feuer« sagte, kam im Wunder der Kommunikation und der Einsamkeit erneut ein Strom Lava oder Speichel in Fluss. Denn für Padilla war der geteilte Akt des Rauchens im wesentlichen eine Inszenierung der Einsamkeit: Die Härtesten, die Geselligsten, die Vergesslichen und die mit gutem Gedächtnis tauchten für den Moment, den der Tabak brauchte, um zu verbrennen, in eine stillstehende Zeit ein, die zugleich alle möglichen Zeiten Spaniens versammelte, alle Grausamkeiten und alle geplatzten Träume, und ohne sich zu wundern erkannten sie sich in dieser »Nacht der Seele« wieder und umarmten sich. Die Rauchwolken waren die Umarmung. Im Königreich der Celtas und Bisontes, der Ducados und der Rex lebten seine Landsleute tatsächlich. Der Rest: Verwirrung, Geschrei, hin und wieder Tortilla Española. Und auf die erneuerten Warnungen der Gesundheitsbehörden: geschissen. Obwohl, stellte er fest, die Leute weniger rauchten, obwohl jeden Tag mehr Raucher auf blond oder extra light umstiegen: Er selbst rauchte keine Ducados mehr wie in seiner Jugend, sondern Camel ohne Filter.
    Es war nicht verwunderlich, sagte er, dass man den zum Tode Verurteilten vor ihrer Hinrichtung eine Zigarette anbot. Die Zigarette, bodenständige Barmherzigkeit und also wichtiger als der Sermon und die Absolution des Pfaffen. Obwohl man den auf dem elektrischen Stuhl und den in der Gaskammer Hingerichteten keine anbot: Die Sitte war lateinamerikanisch, spanisch. Und darüber konnte er unzählige Anekdoten zum Besten geben. Am lebhaftesten hatte Amalfitano jene in Erinnerung, die ihm am bedeutsamsten und in gewisser Hinsicht düster vorbedeutend erschien, da sie von Mexiko und einem Mexikaner handelte, und er schließlich in Mexiko gelandet war, von einem Oberst der Revolution, der durch einen Unstern seine Tage vor einem Erschießungskommando beenden musste. Als letzten Wunsch bat der Oberst um eine Zigarette. Der Hauptmann des Erschießungskommandos, der ein guter Mensch gewesen sein muss, gewährte sie ihm. Der Oberst zog eine seiner Zigarren hervor und begann zu rauchen, ohne mit jemandem ein Gespräch zu beginnen, und betrachtete die karge Landschaft. Als er fertig war, hing die Asche noch an der Zigarre. Seine Hand hatte nicht gezittert, die Erschießung konnte beginnen. Das muss einer der Schutzpatrone der Raucher sein, sagte Padilla. Und worum ging es in der Anekdote, um die eisernen Nerven des Oberst oder um die balsamische Wirkung, die Kommunion des Rauchs? So genau, erinnerte sich Amalfitano, wusste Padilla das nicht, und es war ihm auch egal.

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    Manchmal machte sich Amalfitano Gedanken über seine relativ junge Homosexualität und suchte Trost und Beistand bei literarischen Vorbildern. Alles, was ihm einfiel, waren Thomas Mann und jene

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