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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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Perpétuellement à la recherche d’une mère disparue précocement, désespérant de trouver un contact sécurisant avec un père malade …«
    Dichter, deren Lektüre man Kindern verbieten sollte. Mit fünfzehn entdeckte sie ihre eigenen Verfemten. Erst Sophie Podolski und Le pays où tout est permis , danach Tristán Cabral, danach Michel Bulteau und Matthieu Messagier. Mit sechzehn hatte sie genug von ihnen und kam auf Gilberte Dallas zurück. Der Klang ihrer Worte rief ihr ihre Mutter in Erinnerung. Sie las sie sich laut vor, wenn sie allein und ihr Vater ausgegangen war oder unterrichtete, und der Singsang der Gilberte gaben ihr den dunkelgrünen Sessel aus Rio und ihre Mutter zurück, wie sie durch das Fenster die drei rivalisierenden Silhouetten und die Kronen der Bäume am Paseo Marítimo und das wenige Meter dahinter liegende Meer betrachtete. Und dann erzählte ihre Mutter ihr Geschichten aus der Zeit, als sie ein Baby war, und wie sie sein würde, wenn sie erst groß und schön wäre. Und sie brauchte nicht mehr die Gilberte lesen, weil die Küsse, die sie sich gaben, und die Augen, die ihnen zufielen, stärker und wohltuender waren als die Worte.

10
     
    Dass ihr Vater mit Männern schlief, erfuhr Rosa Amalfitano einen Monat nach ihrer Ankunft in Santa Teresa, und die Entdeckung wirkte auf sie wie ein Aufputschmittel. Ist ja der Hammer!, sagte sie bei sich, womit sie unbewusst die Heldin einer Erzählung von Bioy Casares zitierte, die sie gerade las. Dann fing sie wie Espenlaub zu zittern und Stunden später schließlich zu weinen an. Zuvor hatte Amalfitano einen Fernseher und ein Videogerät gekauft, für die sie sich nicht hatte begeistern können. Wie verhext, hörte sie von diesem Tag an auf, Bücher zu lesen, und verschlang zwei bis drei Filme täglich. Amalfitano, der sich bemühte, mit seiner Tochter offen über alles zu reden, hatte es ihr schonend beibringen wollen. In einem langen und chaotischen Gespräch vor ihrer Abreise nach Mexiko hatte er ihr mit einer Parabel, die nicht mal er selbst verstand, und mit Gründen zu erklären versucht, die ihm später bestenfalls brüchig, wenn nicht idiotisch vorkamen, dass sexuelle Orientierungen in diesem Leben nicht stabil seien und es auch nicht sein müssen. Letztlich tröstete Amalfitano sich selbst mit seiner Argumentation, und hypothetisch tröstete er nebenbei seine Tochter, indem er ins Feld führte, wenn der Ostblock zusammengebrochen sei, könne auch seine bis dato unzweifelhafte Heterosexualität das tun, als hingen beide Ereignisse zusammen oder als wäre das eine die logische Folge des anderen. Eine Art Dominoeffekt auf dem Feld sexueller Neigungen, wenn auch sehr befremdlich, da Amalfitano dem real existierenden Sozialismus immer kritisch gegenüberstand. Aber Rosa, von Natur aus zerstreut und an die langen Selbstgespräche ihres Vaters gewöhnt, hörte ihm ganz einfach nicht zu, weshalb sie eines Nachmittags, als sie früher als gewöhnlich nach Hause kam, selbst die Praktiken gewärtigen musste, denen er sich überließ, während sie in der Schule war. Und obwohl Amalfitano sich – entsetzt – bewusst war, dass seine Tochter ihn entdeckt hatte, und Rosa wusste, dass er wusste, sprachen sie nie darüber. An genau diesem Abend hatte Amalfitano ihr erklären wollen, wer Castillo war, was sich in Barcelona zugetragen hatte, was in ihm vorging, aber Rosa zeigte sich entschieden. Über so etwas sprach man nicht. Bekümmert gehorchte Amalfitano, und mit der Zeit und auf seine Weise vergaß er den Vorfall oder redete sich ein, dass er ihn vergaß. Rosa konnte das nicht.
    Einige Nächte hindurch hatte sie Albträume, in denen sie zu sterben glaubte. Sie aß nicht mehr und hatte ein paar Tage lang Fieber, fühlte sich verraten: von ihrem Vater und von der Welt im allgemeinen. Alles ekelte sie an. Danach träumte sie wieder von ihrer vor acht Jahren an Krebs gestorbenen Mutter. Träumte davon, dass Edith Lieberman durch die staubigen Straßen von Santa Teresa ging, dass sie am Steuer eines schwarzen Ford Falcon saß und ihr in Schrittgeschwindigkeit folgte. Die Mutter war wie auf den Fotos gekleidet und wirkte ziemlich herausgeputzt, wenn auch nicht gängiger Mode entsprechend.
    Im Traum fürchtete Rosa, ihre Mutter würde zu ihnen nach Hause kommen und ihren Vater mit diesem Burschen im Bett erwischen, aber Edith Liebermans Schritte führten sie geradewegs zum Friedhof.
    Der Friedhof von Santa Teresa war groß und von einer Weiße wie

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