Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Titel: Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
Vom Netzwerk:
die ihren Söhnen ungefragt Angelzeug schenken? Lassen wir die Eltern aus dem Spiel. So etwas lassen sich keine Götter einfallen, höchstens alternde Propheten.«
    Seshmosis: »Wie du meinst. Wie sieht es aus mit der Abteilung ›Sonstiges‹? Irgendwelche Regeln für die Ernährung, rituelle Waschungen, feste Gebetszeiten oder so?«
    GON: »Nichts dergleichen. Möge sich jeder ernähren, wie er es für richtig hält, und waschen, wie es ihm notwendig erscheint. Und beten? Sollte in der Freizeit stattfinden. Machen wir es gnädig, schreibe einmal am Tag.«
    Seshmosis: »War das wirklich alles?«
    GON: »Denke schon. Falls mir noch etwas einfällt, können wir es ja ergänzen.«
    Seshmosis: »Es geschehe also. Ich werde die Gebote aufsetzen.«
     
    In dieser Nacht saß Seshmosis lange in seinem Zelt. Beim Schein der Öllampe feilte er an den Formulierungen. Wie einfach wäre es doch gewesen, wenn GON den Text von seinem Kollegen vom Sinai übernommen hätte.
    Der Propheten-Job machte mehr Arbeit, als er ursprünglich gedacht hatte. Dabei könnte es so einfach sein: Der HERR spricht zu ihm, und er geht dann zu den Leuten und verkündet, Wort für Wort. Oder zumindest sinngemäß.
    Als der Morgen graute und ein schwindsüchtiger Hahn in seiner Blindheit die sich in einem Wasserloch spiegelnde Sonne ankrähte, legte Seshmosis die Feder zur Seite. Geschafft!
    Mit schmerzendem Rücken, aber erfüllt mit Werkstolz, blickte er auf seine Schöpfung der Nacht. GON konnte mit ihm zufrieden sein, dachte er, hoffte er, bangte er.
     
    1. Gebot
    Ich bin der Herr, dein Gott, den du verehren sollst, wie auch respektieren alle Mächte der universalen Schöpfung und alle Natur, die dich umgibt.
    Und verlass dich nie darauf, dass es woanders keine anderen Götter gibt.
     
    2. Gebot
    Du sollst einmal am Tag in deiner Freizeit zu mir beten, auf dass ich weiß, dass du noch da bist.
     
    3. Gebot
    Du sollst nicht töten, außer du und die deinen werden angegriffen, oder es geht dir sonst wie an den Kragen.
     
    4. Gebot
    Du sollst nicht stehlen, außer wenn du Hunger hast oder lebensnotwendige Dinge brauchst, die da sind Kleidung, Transportmittel und Souvenirs.
     
    5. Gebot
    Du sollst den Feiertag heiligen, sofern du jemanden hast, der an diesem Tag deine Arbeit erledigt. Wann dein Feiertag ist, erfolgt nach Absprache.
     
    6. Gebot
    Du sollst weder verleumden noch beleidigen, und wenn man dich verleumdet oder beleidigt, sollst du keinen Advokaten nehmen, sondern die Sache selbst regeln, aber dabei anständig bleiben, auf dass kein Blut fließe. Zumindest nicht viel.
     
    Seshmosis las die Zeilen noch fünfmal und schlief sofort ein. Dabei stieß er mit der Hand das Tintenfass um, das sich über seinen Ärmel und vor allem über die sechs Gebote ergoss.

     
    Kalala, Prinzessin von Gebel Abjad, schwarze Perle Nubiens, Stern der Oase Salima und bis vor kurzem Zierde des Palasts von Kamoses zu Theben, räkelte sich auf dem Deck der Windsbraut. Seit Tagen saßen sie nun schon in Sauti fest, weil Warn’keter sich nicht traute, weiter nilabwärts zu segeln. Der Reeder fürchtete sich vor den Spionen des Kamoses und noch mehr vor den Spionen von dessen Ehefrau, er fürchtete sich vor den Spionen des Pharaos und den Spionen von Zerberuh, den er beim Kauf des Schiffes übervorteilt hatte. Und er hatte Angst vor Kalala, die ihn zu allem Übel schikanierte, wo sie nur konnte.
    Ständig fiel ihr Neues ein, das sie unbedingt zu ihrem Wohlbefinden brauchte. Gestern mussten es unbedingt Früchte von den Ufern des Sees Moeris sein, weil nur diese Früchte farblich zu ihrem Lieblingsgewand passten. Heute wollte sie zu ihrer Unterhaltung unbedingt einen Sänger, der keine Totenklagen sang. Ein schier unmögliches Unterfangen in einer Gegend, in der die Sänger sich gegenseitig mit herzzerreißenden Klageliedern überboten. Kein Wunder in einer Stadt, deren Ortsgottheit der wolfsgestaltige Upuaut ist, der mit Bogen und Keule den Toten aufrecht voranschreitet.
     
    Tafa, ihr treu ergebener, hünenhafter Nubier, wedelte Kalala mit einem riesigen Palmenfächer Kühlung zu, während sie an einem zu ihrer Augenfarbe passenden Fruchtsaft nippte und versuchte, ihren Zorn zu unterdrücken. Da fiel ihr Blick auf die nahe Uferstraße, besser gesagt auf einen jungen Mann, der dort saß und auf den Nil blickte.
    Interessiert schaute sich die Prinzessin die Gestalt an, ihr Zorn war von einer auf die andere Sekunde verflogen. Der Mann schien überaus attraktiv zu

Weitere Kostenlose Bücher