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Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Titel: Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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Götterland ist, sieht es natürlich in Wirklichkeit ganz anders aus.
    Erstaunlicherweise findet man hier durchaus Uschebti-Figuren, doch im Gegensatz zum allgemeinen Glauben dienen sie keineswegs den Verstorbenen, sondern stehen als dekorative, aber weiterhin leblose Figuren in den Wohnungen der westlichen Götter. Die wirklichen Uschebti, diejenigen also, die den Göttern hier dienen, sind nichts anderes als Verstorbene, die beim Totengericht weder erlöst noch im Krokodilmaul von Ammit oder gar zwischen den abertausend Zähnen von Babi gelandet sind. Und davon gibt es nicht wenige. Erlöste Menschen brauchen keine Diener, gelangweilte Götter schon.
     
    Während im Land der Menschen immer noch die Nacht herrschte, obwohl die Sonne längst im Zenit stehen sollte, strahlte über Amentet ein warmes Licht. Keiner Gottheit wäre es eingefallen, das gesamte Westland in düsteren Farben zu gestalten, nur weil die Menschen dies erwarteten. Schließlich handelte es sich hier um ihren Arbeitsplatz für Jahrtausende, und den wollten sie so angenehm wie möglich gestalten.
    Lediglich das imposante Tor zur Unterwelt, der Eingangsbereich zum Totengericht und die große Halle mit der Waage beeindruckten durch eine entsprechende Architektur und Dekoration der Düsternis und des Schreckens. Man wusste schließlich, was man den Erwartungshaltungen der Gläubigen schuldig war.
    Der große Rest der göttlichen Ansiedlung kam mehr den touristischen Vorstellungen von einer adretten, erholsamen Kleinstadt entgegen. Lediglich die Tempel fehlten, aber wen sollten die Götter darin schon verehren?
     
    Die Nachtbarke raste auf das Kai zu, eine riesige schwarze Welle nachziehend. Jedes menschliche Schiff hätte sich bei dieser Geschwindigkeit in die Mauer gebohrt, doch die Mesektet legte zentimetergenau an.
    Apophis konnte eine gewisse Anspannung nicht leugnen. Er wusste, dass die Götter seinen Angriff auf Ra bemerken und auch sicher etwas gegen ihn unternehmen würden. Allerdings hatte er keine Vorstellung, welche Reaktionen ihn erwarteten. Doch er wähnte sich in einer starken Position, schließlich befanden sich Ra und die Sonne in seiner Gewalt.
    Gespannt blickte der Schlangendämon zum Ufer. Er rechnete mit einer Abordnung aller großen Götter, umgeben von allen kleinen Göttern Ober- und Unterägyptens.
    In Vorfreude seines großen Auftritts züngelte und zischelte er aufgeregt.
    Doch zu seinem Erstaunen war die Anlegestelle leer.
    Hätte Apophis Hände gehabt, wäre nun die Zeit gewesen, sich die Augen zu reiben. So blieb ihm nur, Hilfe suchend zu seinen Gefährten zu blicken, doch die schienen genauso ratlos wie er.
    Dann nahm er eine Bewegung am Ufer wahr.
    Ein Hase hoppelte auf die Barke zu.
    »Unut«, zischte Meresger, die neben ihm stand.
    »Unut? Du meinst, bei allem, was wir angerichtet haben, schicken sie uns lediglich diese völlig unbedeutende Hasenzwergin? Einen völlig nebensächlichen Unterweltsdämon? Sie wollen mich provozieren. Sie wollen mich demütigen!« Apophis war außer sich.
    Inzwischen erreichte die Häsin die Barke und richtete sich auf. »Man erwartet euch in der großen Gerichtshalle. Und bringt Ra mit!«, sprach sie und hoppelte wieder davon.
    Apophis heulte auf vor Zorn. Da beging er das größte Verbrechen in der Geschichte Ägyptens, und die Götter schickten zu seiner Begrüßung eine Hasendämonin von allerhöchstens lokaler Bedeutung. Er kochte, er schäumte, die Götter sollten ihn kennen lernen!
    »Gehen wir?«, fragte Nehebkau.
    »Ja. Mahes, trag du Ra. Wir wollen unsere wertvolle Fracht nicht zurücklassen. Am Schluss fallen noch Diebe über ihn her.«

     
    Während Apophis mit seinen Gefährten zur großen Gerichtshalle im Westland zog, wunderte sich Kalala, dass die Nacht nicht enden wollte. Nicht, dass ihr die Gesellschaft von El Vis nicht behagte, ganz im Gegenteil, aber sie fand die Tatsache, dass die Sonne nicht aufging, überaus beunruhigend. Noch mehr wäre sie beunruhigt gewesen, wenn sie vom großen Sterben erfahren hätte, vom Sterben aller Erstgeborenen. Vor allem, weil sie, Kalala, die älteste Tochter ihres Vaters war. Doch Kalala stammte aus Nubien, und so ging der Kelch des ägyptischen Todes an ihr vorüber.
    Ebenso am getreuen Tafa, der zwar weder Vater noch Mutter kannte, geschweige denn Geschwister und dennoch der Erstgeborene war. Und El Vis entstammte als siebter Spross einer Großfamilie aus dem Armenviertel von Memphis, in der selbst er hin und wieder den Überblick

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