Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer
einer Feuerqualle unterbrach diese abrupt. Unter Schmerzen schwamm er zum Strand zurück, setzte sich in den Sand und begutachtete seinen Oberschenkel. Der große rote Fleck brannte fürchterlich. Auch Cleite brach ihr Bad ab und gesellte sich zu ihm. Nach einem kurzen Blick auf sein Bein tröstete sie ihn: »Bis heute Abend wird der Schmerz nachlassen. Ein bisschen Ruhe im Schatten wird dir guttun. Ich muss mich nun um mein Schiff und meine Leute kümmern.«
Das war der Augenblick, vor dem sich Seshmosis schon seit Stunden fürchtete. Obwohl sich alles in ihm sträubte, wusste er doch, dass dies der Anfang vom Ende war. Sie war eine Amazone, und in ihrem Leben hatten Männer nur kurze Auftritte. Auch ansonsten spielten sie in diesem Volk eine untergeordnete Rolle als Arbeitskräfte. Für Cleite und ihn gab es keine Zukunft, nur eine Gegenwart, und die war gerade zu Ende gegangen.
Gesenkten Hauptes trottete Seshmosis neben Cleite zu den Schiffen zurück. Dabei bemerkte er nicht einmal die bewundernden und auch neidischen Blicke der achäischen Krieger.
Bei den Schiffen angekommen, umarmte Cleite noch einmal Seshmosis und küsste ihn auf die Wangen, dann ging sie zu ihren Kameradinnen an Bord.
*
Die phönizischen Seeleute rissen sich darum, den Amazonen bei der Reparatur ihres Schiffes helfen zu dürfen, und auch die meisten Tajarim waren mit Feuereifer dabei, die Frauen zu unterstützen. Während allenthalben Planken gehobelt und Ruder geschnitzt wurden, pflegte Seshmosis seine neue Traurigkeit und zeigte sich gegenüber allen Tröstungsversuchen äußerst resistent. Als er hörte, dass Odysseus zu einer Expedition zur Kyklopeninsel aufbrechen wollte, um von dort weitere Vorräte zu holen, kam ihm dies in seinem Liebeskummer gerade recht. Wenn sich seine Liebe schon nicht erfüllte, wollte er wenigstens ein spektakuläres Ende bei den gefürchteten Riesen finden.
Trotz seiner Depression gedachte er vor der Abreise zur großen Insel noch Zwiesprache mit GON zu halten.
»Herr, ich weiß, dass du in mein Herz sehen kannst. Endlich habe ich die Liebe gefunden und sie dennoch gleich wieder verloren. Es macht alles keinen Sinn mehr!«
Augenblicklich erschien die rot getigerte Katze auf dem Schrein.
»Wage es ja nicht, an Selbstmord zu denken. Du wirst noch gebraucht! Außerdem ist Liebeskummer als Todesursache für einen Propheten unwürdig.«
»Aber Herr, alles erscheint mir so sinnlos«, klagte Seshmosis.
»Du befindest dich momentan in einer Krise. Das Beste in deiner Situation ist Abwechslung. Es ist gut, dass du dich Odysseus bei seinem kleinen Ausflug anschließen willst, und ich werde bei dir sein. Nimm den Ledersack mit!«, sprach die Katze und verschwand.
Wenig später überquerte das blauschnäblige Flaggschiff von Odysseus mit kräftigen Ruderschlägen den schmalen Meeresarm und landete auf der Insel der Kyklopen.
Odysseus wählte für die Erkundung zwölf seiner erfahrensten und tapfersten Männer aus und befahl den anderen: »Haltet das Schiff abfahrbereit! Jagen und Vieh zusammentreiben ist verboten! Das können wir immer noch machen, wenn ich wieder zurück bin. Jetzt müssen wir zuerst die berühmten Käsehöhlen der Kyklopen finden.«
Auf dem Weg ins Landesinnere fragte Seshmosis Odysseus: »Was sind das für berühmte Käsehöhlen? Weder in Theben noch in Byblos habe ich davon gehört.«
»Die Kyklopen sind ein primitives Volk, doch mit Hilfe der gnädigen Götter gelingt es ihnen, einen würzigen, goldgelben Käse herzustellen. Und da ich keine Lust habe, immer nur Fleisch zu essen, holen wir uns jetzt diese Köstlichkeit.«
Kurz darauf erreichte die Gruppe einen Abhang mit mehreren Höhlen. Die Eingänge waren nur mit schlichten Holztüren verschlossen, die von Odysseus' Männern mit wenigen Fußtritten zerstört wurden. Hemmungslos stürzten sich die Achäer in eine der Höhlen. Sie war bis zur Decke gefüllt mit Weidenkörben voll von goldgelbem Käse, der sein wunderbares Aroma verströmte. In einer Ecke standen Wannen und Eimer mit Milch, schneeweißer Sahne und Molke.
Wie ausgehungerte Schakale fielen die Männer über die Käselaibe her, brachen große Brocken davon ab und stopften sie gierig in sich hinein. Selbst Odysseus kannte keine Zurückhaltung.
Angewidert wandte sich Seshmosis ab, als er am Eingang einen Schatten bemerkte. Vorsichtig berührte er Odysseus am Arm, der ihn mit vollem Mund unwirsch anfuhr: »Was ist los, Schreiber? Warum störst du mich beim
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