Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Titel: Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
Vom Netzwerk:
überfiel ihn ein schrecklicher Gedanke. Die Schiffe der Achäer! Aufgeregt redete er auf die Kyklopin ein:
    »Du musst deinen Vater warnen! Am Strand liegt ein Kriegsschiff von Odysseus, und elf weitere warten drüben auf: der Ziegeninsel. Wenn ihr Fürst nicht dorthin zurückkehrt, werden sie euch angreifen. Es sind fast achthundert schwer bewaffnete, erfahrene Krieger!«
    Kynthia erbleichte. Sofort eilten sie zum großen Haus, um ihren Vater vor der Gefahr zu warnen.
     
    Polyphem erschrak. »Wenn die Achäer hier einfallen, gibt es ein Blutbad. Selbst wenn wir gewinnen sollten, wären die Verluste ungeheuer groß. Andererseits will ich diesen Aufschneider und Käsedieb nicht einfach ungestraft ziehen lassen.«
    Sodann ließ er die Achäer aus dem Kerker zu holen.
    Als Odysseus Seshmosis bei den Kyklopen stehen sah, funkelte er ihn böse an. Es war klar, dass er den Schreiber als Verräter betrachtete.
    Diesmal ließ Polyphem die Achäer nicht zu Boden werfen, doch standen sie gefesselt vor ihm.
    »Fürst Käsedieb, ich will Gnade vor Recht ergehen lassen. Wir Kyklopen sind, im Gegensatz zu euch Achäern, ein friedliebendes Volk. Ich biete dir die Möglichkeit, deinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Bezahl den Käse und den Schaden, den ihr angerichtet habt, und dann verlasst unsere Insel! Mögest du als Kapitän Nemo über andere Inseln herfallen und deren Bewohner belästigen.«
    »Was soll das? Warum nennst du mich so?«, brauste Odysseus auf.
    »Oh, verzeih, ich habe vergessen, dass mir ein Achäer gegenübersteht. Nemo ist das Wort für Oudeis in einer anderen Sprache. Also, Kapitän Niemand, was ist? Bezahlst du?«
    Zähneknirschend willigte Odysseus ein. Er nahm einige Goldstücke aus seinem Brustbeutel und warf sie Polyphem wütend vor die Füße. »Ich denke, das reicht!«
    »Nehmt ihnen die Fesseln ab und bringt sie zu ihrem Schiff!«, befahl der Kyklop.
    Kaum hatte man den Achäern die Fesseln abgenommen, ergriff Odysseus einen Dreifuß mit einem Feuerbecken und sprang auf Polyphem zu. Der war von dem plötzlichen Angriff völlig überrascht und versuchte, sich mit den Händen zu schützen. Doch zu spät! Odysseus rammte ihm das Becken mit den glühenden Kohlen mitten ins Gesicht.
    Rasend vor Schmerz brüllte Polyphem, man solle den Unmensch ergreifen, der ihn geblendet habe. Die entsetzten Kyklopen waren wie gelähmt, und so konnten die Achäer ihnen leicht ihre Waffen entreißen und zum Ausgang stürmen.
    Bestürzt verfolgte Seshmosis das Geschehen, unfähig, auch nur eine einzige Bewegung zu machen.
    Kynthia kümmerte sich um ihren schwer verletzten Vater, während von draußen Kampflärm zu hören war. Nach einer Weile verebbte das Waffengeklirr, und mehrere Kyklopen betraten die Halle. Sie zeigten deutliche Spuren eines Kampfes.
    »Sechs von den achäischen Hunden konnten wir töten. Aber Odysseus und die anderen sind in den Wald entkommen«, berichtete einer von ihnen.
    Seshmosis war immer noch fassungslos. Sicher, er hatte die Achäer vor Troja zur Genüge kennen gelernt, aber damals war Krieg gewesen, und der war immer grausam. Doch anscheinend machte Krieg oder Frieden für Odysseus und seine Männer keinen Unterschied.
    Während Ärzte den schwer verletzten Polyphem behandelten, wurde Seshmosis klar, dass er nun völlig alleine bei den Kyklopen festsaß.
     
    *
     
    Am Boden zerstört, hielt Seshmosis sich immer noch in der Halle auf. Polyphem hatte man weggebracht, und Kynthia war mit ihm gegangen. Die Tat des Odysseus erschütterte ihn nach wie vor. Sie war nicht nur schrecklich, sondern auch absolut überflüssig. Polyphem wollte ihn ja ziehen lassen, warum also diese Grausamkeit?
    Eine Hand legte sich auf Seshmosis' Schulter.
    »Komm mit, Fremder«, sagte eine sanfte Stimme.
    Seshmosis blickte auf und sah in das Gesicht von Polydor, dem Goldschmied. Schweigend gingen sie zur Werkstatt am Markt, und ebenso schweigsam aßen sie zusammen.
    Nach dem Mahl fand Seshmosis wieder Worte: »Ich verstehe das alles nicht. Es tut mir so schrecklich leid.«
    »Es ist nicht deine Schuld, und dein Mitgefühl ehrt dich. Niemand von uns wird dich für diese Tat verantwortlich machen«, tröstete ihn Polydor.
    Müde und innerlich völlig leer, begab sich Seshmosis auf das Lager. Er wollte und konnte mit niemandem mehr reden, nicht einmal mit GON.
     
    *
     
    Nach dem Frühstück erschien Kynthia, um Seshmosis abzuholen. Sie führte ihn zu einem kleinen Poseidon-Tempel, der ihm tags zuvor gar nicht

Weitere Kostenlose Bücher