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Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Titel: Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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rannte er los, einfach so.«
    »Nein, nein, keine Angst, ich werde bestimmt kein Renner, das widerspricht meinem Temperament. Mein Gefühl sagt mir nur, dass es falsch ist, hier tatenlos herumzusitzen. Ich muss etwas tun! Sagt, ist dieser Asterion wirklich kein blutrünstiges Ungeheuer? In Byblos erzählt man sich nämlich, dass er Menschen verschlingt.«
    »Lieber Seshmosis, habt Ihr jemals ein Rind beim Fressen beobachtet?«, fragte ihn Daedalos.
    »Ja, natürlich, durchaus«, antwortete Seshmosis irritiert, weil er nicht wusste, worauf der andere hinauswollte.
    »Und was haben diese Rinder gefressen? Kleine Kinder? Mit Sicherheit nicht! Kühe und Stiere sind nämlich keine Raubtiere, sondern Vegetarier. Sie fressen Gras oder Heu. Noch niemand auf der ganzen Welt hat jemals ein Fleisch fressendes Rindvieh gesehen.«
    Seshmosis verstand. Ein Gerücht musste nur sensationell genug sein, und schon glaubten die Menschen die grausamsten Dinge, selbst wenn sie im Widerspruch zur eigenen Erfahrung und den Tatsachen standen.
    »Dann bringt mich bitte zu Asterion«, bat Seshmosis.
    Für Daedalos war dies eine willkommene Ablenkung in seinem Gram um Ikaros, und er stimmte sofort zu. Der Erbauer kannte sein Labyrinth wirklich gut. Nie zögerte er, wenn sich der Weg gabelte, nie musste er nachdenken, ob er nach links oder rechts abbiegen sollte. Nach einiger Zeit erreichten Daedalos und Seshmosis eine Tür, die mit Stoff verhangen war.
    Daedalos rief: »Ich bin es, Daedalos! Bist du zu Hause, Asterion? Ich habe einen Freund bei mir.«
    »Kommt herein!«, antwortete eine tiefe Stimme von drinnen.
    Seshmosis schob den Vorhang beiseite und war wie vom Donner gerührt. Sein Bewusstsein konnte sich nicht zwischen zwei Ungeheuerlichkeiten entscheiden. Mit einem ungewöhnlichen Wesen hatte er zwar gerechnet, schließlich hatte sich GON als Mann mit Stierschädel gezeigt. Allerdings war das Original weit mehr als zwei Meter groß, und Seshmosis verstand auf Anhieb, wie die Legende von der kinderverschlingenden Bestie hatte entstehen können. Doch weit mehr als der riesige Halbgott warf ihn der Anblick von dessen Begleiter aus der Bahn: Aram!
    Aram war tot! Freiwillig ertrunken im Badehaus von Theben, von Raffim ins Leben zurückgeholt und von Anubis persönlich wieder ins Reich der Toten gebracht. Die Tajarim hatten ihn bestattet, bevor sie sich auf ihre große Reise gemacht hatten. Er konnte einfach nicht hier sein!
    Seshmosis' linke Hand verkrallte sich immer noch im Vorhang, als sein alter Freund Aram langsam auf ihn zuging und sanft an den Schultern rüttelte.
    »Seshmosis! Ich bin es wirklich! Ich bin Aram!«
    Das Rütteln holte Seshmosis allmählich aus seiner Agonie.
    »Aram? Das ist unmöglich …«
    »Nichts ist unmöglich, wenn es die Götter wollen, mein lieber Freund. Es ist eine lange Geschichte, und ich freue mich darauf, sie dir zu erzählen«, strahlte ihn Aram an.
    »Normalerweise gibt es keinen besseren Ort für lange Geschichten als das Labyrinth«, sagte Asterion. »Aber ich fürchte, im Augenblick bleibt für die Vergangenheit wenig Zeit. Wir haben ziemlich viel Gegenwart zu bewältigen.«
    Erst jetzt betrachtete Seshmosis den Halbgott genauer. Und er entdeckte, dass dieser ein Amulett um den mächtigen Stiernacken trug. Das Amulett. Sein Amulett.
     
    *
     
    Theseus befestigte den Faden der Ariadne an einem Fackelhalter. Siegessicher sah er seine Gefährten an. »Damit finden wir garantiert zurück!«
    Dann begannen sie ihren Weg durchs Labyrinth. Immer tiefer drangen sie ein, und das Fadenknäuel war schon beängstigend klein, als sie auf das erste menschliche Wesen, einen Hocker, trafen.
    »He! Du da!«, rief ihn Nelos an. »Du kennst dich doch hier aus. Wo halten sich denn üblicherweise die Gefangenen auf? «
    »Aufhalten ist aushalten. Wer es nicht mehr aushält, hält sich nur noch auf«, antwortete der Mann mit schwacher Stimme.
    »Mir dünkt, der Kerl ist wahnsinnig. Von dem erfahren wir nichts«, sagte Theseus resigniert.
    »Erfahrung ist nichts. Nichts ist Erfahrung. Der Weg ist nichts. Alles ist Erfahrung«, brabbelte der Hocker weiter.
    »Lasst uns schnell von hier verschwinden«, forderte Pelos. »Vielleicht ist es ansteckend.«
    »Alles verschwindet. Der Weg ist verschwunden. Die Erfahrung ist das Verschwinden. Das Nichts ist Erfahrung. Der Weg ist verschwunden.« Irritiert ließen Theseus, Nelos und Pelos den Hocker zurück, der immer noch murmelte, und gingen weiter.
    »Ob die hier alle so

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