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Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Titel: Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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Mehr zu sich selbst sagte er: »Denkbar ist es. Es klingt zwar unwahrscheinlich, doch es könnte sein. Götter, die nur in ihrem eigenen Kulturkreis Macht ausüben. Ein interessantes Konzept.« Dann ging auch er in die Dunkelheit der hereinbrechenden Nacht.
    »Du immer mit deiner Schwarzmalerei!«, herrschte Helenos seine Schwester an. »Lass uns auch nach Hause gehen, es fängt an zu regnen.«
    »Mein Bruder, warum glaubst du mir nicht? Hast du nicht gehört, was der ägyptische Seher sagte? «, fragte Kassandra enttäuscht. »Du weißt doch, dass Apollon mich verflucht hat.«
    »Weiß ich das? Ich weiß nur, was du dauernd allen Leuten erzählst. Und das geht mir gewaltig auf die Nerven!«
    Helenos wandte ihr abweisend den Rücken zu und ging mürrisch Richtung Troja. Betrübt und wütend zugleich folgte ihm Kassandra.
    Nostr'tut-Amus stand nun allein im Regen und starrte in das lodernde Feuer der Eiche. In den Flammen erschien ihm das Holz wie berstende Mauern und brennende Häuser, und die Blätter verwandelten sich in Menschen, die herabsanken und zischend im Feuer verbrannten. Das Harz rann wie Blut den Stamm entlang, und das Knacken des Holzes klang wie das Brechen von Knochen. Die Schatten ließen augenlose Gesichter und tonlose Münder in den Tränen des Regens ersticken.
    Und der Seher schaute weiter und sah die großen Feldherren und Eroberer künftiger Zeiten, die mit Homeros' Ilias im Kopf von heldenhaften Siegen träumten und auch in dreitausend Jahren noch ihre Krieger in der Glut der Worte des Dichters verheizten. Fürs Vaterland, donnerten die Stiefel auf den Straßen der Welt, wie glorreich und süß ist das Sterben fürs Vaterland.
     
    *
     
    Endlich fand Seshmosis einen Platz, wo er ungestört mit GON reden konnte. Das verlassene, mastlose Wrack eines achäischen Kriegsschiffes erschien ihm ideal für die göttliche Zwiesprache. Gleich nachdem Seshmosis den Schrein abgestellt hatte, materialisierte der kleine Gott, dieses Mal als Pferd.
    »Herr, ich weiß, dass du mir mit deiner Erscheinungsform einen Hinweis geben willst, aber ich verstehe ihn nicht.«
    »Das spielt derzeit keine Rolle und ist für dich auch unwichtig. Was bedrückt dich, mein Prophet?«, fragte der Nomadengott.
    »Ich mache mir Sorgen um Raffim. Eigentlich hat er ja wegen seines Eisenhandels eine Strafe verdient, aber ich fürchte, die Trojaner werden ihn töten.«
    »Das ist so vorgesehen. Aber erst nachdem sie ihn vorher … Ich möchte dir lieber weitere Einzelheiten ersparen.«
    »Herr, so sehr ich selbst unter Raffims Eskapaden leide, so sehr bekümmert es mich, dass er sterben soll«, klagte Seshmosis.
    »Nun, die Zukunft Raffims vorherzusagen gehört nicht zu meinen Aufgaben. Mir geht es mehr um deine Zukunft.«
    »Werde ich Raffim retten?«, wollte Seshmosis wissen.
    »Wer hat denn gesagt, dass du Raffim retten sollst? Kümmere du dich lieber um deine Aufgaben!«
    »Und was sind meine Aufgaben, Herr?«
    »Deine Arbeit bei Homeros und die Rettung des jungen Skamandrios«, sprach das Pferd, stieg mit den Vorderbeinen hoch und verschwand.
     
    *
     
    Odysseus und Neoptolemos hatten es geschafft: Philoktetes kehrte samt seiner göttlichen Pfeile zu den Achäern zurück. Allerdings litt er immer noch unsäglich unter den Auswirkungen des Schlangenbisses. Die eiternde, stinkende Wunde schmerzte fürchterlich, und die Schreie von Philoktetes hatten Odysseus und Neoptolemos während der Schifffahrt fast in den Wahnsinn getrieben. Deshalb wagte man nun nicht, den berühmten Mann ins Lager zu bringen, weil zu befürchten war, dass sein Geschrei die Krieger vollends demoralisieren würde. Man schaffte ihn daher in ein eilends errichtetes Zelt, weit weg vom Lager am Strand, und rief nach Podaleirios, dem Sohn des Asklepios, des göttlichen Heilers. Der Arzt betrauerte immer noch seinen von Eurypylus erschlagenen Bruder Machaon, und fast wäre er ihm durch eigene Hand gefolgt, wenn ihn nicht der alte Nestor davon abgehalten hätte. Nun sah er voll Mitgefühl auf Philoktetes, dem er mit all seiner medizinischen Kunst nicht zu helfen vermochte.
    Zu dieser Zeit spazierte Elimas, der Shofarbläser der Tajarim, am Strand entlang und hing seinen Gedanken nach. Er freute sich, dass es bald wieder ein Konzert geben würde, bei dem er El Vis musikalisch begleiten durfte. Als er aus der Ferne Schreie hörte, ging er in die Richtung, aus der sie kamen. Bald entdeckte er die Quelle des schrecklichen Geschreis, und ein furchtbarer Gestank stieg

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