Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler
Doch das Schicksal musste erfüllt werden, und so sagte sie zu ihm: »Seshmosis, mein Retter und künftiger Gemahl! Ich begrüße dich in meiner Halle!«
Der Heiratskandidat wollte widersprechen, doch bevor er seine Gedanken sortiert hatte, sprach die Walküre weiter.
»Nach alter Sitte Brauch wird derjenige mein Gemahl, der sich durch die Waberlohe wagt, das gefangene Weib zu retten. So bin ich nun für jetzt und immer dein.«
»Das ist ein Irrtum!«, erwiderte Seshmosis verzweifelt. »Ich bin kein Held!«
Brünhild war irritiert und sah zu ihren Kriegerinnen. Doch die waren genauso ratlos wie ihre Herrin.
»Bist du ein Zauberer?«, fragte Brünhild und deutete auf den Sack mit den Blutrunen.
»Nein, ich bin auch kein Zauberer. Ich bin ein Schreiber und Prophet. Ich diene einem Gott, den du bestimmt nicht kennst.«
»Dann hast du Zölibat gelobt und darfst mich deshalb nicht ehelichen?«
»Nein, auch das nicht. Kein Zölibat. Ich bin schon verlobt. Mit Tani, zu Hause, in Byblos.«
»Du bist ein merkwürdiger Mann, Seshmosis von Byblos. Du wagst es, durch die Waberlohe zu schreiten, aber du willst den ausgesetzten Preis für diese Tat nicht annehmen. Du bist klein, und doch vollbringst du Großes. Du dürftest bei einer Walküre liegen, und doch bist du dem Weib in deiner Heimat treu. Mein Retter ist wahrlich ein ganz besonderer Mann.«
»Ich denke, das ist auch gut so«, antwortete Seshmosis. »Denk nur daran, was die Riesin in Bragis Lied kündet: Solltest lieber Leinwand weben, statt zu folgen fremden Gatten.«
Brünhild lachte. »Und weise ist mein Held auch!«
*
»Siegfried wird uns befreien. So steht es doch in allen Liedern. Der ruhmreiche Held rettet seine Gefährten, nicht wahr, Wahnfried?«
Gunthers Selbstsicherheit befand sich schon seit Stunden auf einem Tiefpunkt. Sein Ego konnte es nicht verkraften, dass er von gerade mal unterarmlangen Wichteln bewacht und schikaniert wurde. Wenn die Feinde wenigstens grausame Riesen gewesen wären, dann hätte Wahnfried ein Heldenepos dichten können. Aber so? Völlig unmöglich! Kein Mensch durfte je erfahren, dass der König der Burgunden ein Gefangener von rotborstigen Winzlingen war.
»Sing mir aus deinem Epos, mein lieber Wahnfried, ich brauche Trost!«
»Sicher mein König, ich singe die Stelle nach der Vorstellung eurer Schwester, der edlen Kriemhild:
Es pflegten sie drei Könige
edel und reich,
Gunther und Gernot,
die Recken ohne Gleich,
und Giselher der junge,
ein auserwählter Degen;
sie war ihre Schwester,
die Fürsten hatten sie zu pflegen.
Die Herren waren milde,
dazu von hohem Stamm,
Unmaßen kühn nach Kräften,
die Recken lobesam.
Nach den Burgunden
war ihr Land genannt;
die schufen starke Wunder
noch seitdem in Etzels Land.
In Worms am Rheine wohnten
die Herrn in ihrer Kraft.
Von ihren Landen diente
viel stolze Ritterschaft.« 8
»Ach, tut das gut! Wie erhebend ist doch wahre Kunst«, schwelgte Gunther und vergaß für Augenblicke seine missliche Situation. Bis Hagen ihn wieder an diese erinnerte.
»Es wäre nicht schlecht, wenn die dienende stolze Ritterschaft dort draußen langsam etwas unternehmen würde!«
*
Mit dem Versprechen an Brünhild, dass er zurückkehren würde, hatte Seshmosis die Burg Isenstein verlassen dürfen. Nun erzählte er seinen Freunden im Lager der Tajarim vor der dunklen Stadt von seinem Abenteuer.
»Schön und gut, Seshmosis, du heiratest also oder auch nicht. Aber das Geschäft muss trotzdem weitergehen. Und dazu brauchen wir Obsidian, sehr viel Obsidian! Den gibt es aber nicht hier, sondern nur weiter im Süden. Da müssen wir jetzt hin, und zwar schnell!«, drängte Raffim.
»Ich würde diese Walküre gern einmal kennenlernen«, sagte Nostr'tut-Amus mit einem Leuchten in den Augen.
»Dann bleib mit Seshmosis hier«, empfahl Raffim unwirsch. »Morgen brechen wir auf. Wir brauchen jeden Mann für die ›Aktion Obsidian‹, vor allem auch Elimas. Er muss unbedingt als Arzt mit uns ins Rabensteinland ziehen. Wer weiß, was uns zustößt. Da will ich nicht ohne ärztliche Versorgung sein.«
»Ich möchte auch mit Seshmosis und Nostr'tut-Amus zu dieser Walküre auf die Burg«, sagte Sampo.
»Du bist sowieso keiner von uns«, giftete Barsil. »Aber glaube ja nicht, dass du dann einen Anteil bekommst.«
Weise schüttelte der Skalde den Kopf. Die Lektion von Mot hatte der alte Gauner Barsil längst wieder vergessen.
*
»Warum ging das nicht
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