Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
richtig gelegen: Er war wirklich ein angenehmer Dienstherr, sofern man ihn nicht bei seiner Arbeit störte. Als er sich am Abend wieder an sie erinnerte, wies er seinen Diener an, ihr ordentliche Kleider und Schuhe zu besorgen, und die Köchin, ihr das Haar sorgfältiger zu schneiden. Dann ließ er sie sich vorführen und erklärte ihr, dass sie sich immer in Rufnähe aufzuhalten habe, um Botengänge für ihn auszuführen und kleinere Briefe für ihn zu schreiben, wenn seine Augen abends müde waren. Die Wangen hochrot vor Glück, nickte Catalina wieder und wieder. »Ihr werdet zufrieden mit mir sein.«
Die Erledigung ihrer wenigen Aufgaben bereitete ihr keinerlei Mühe und es tat ihr gut, sich bei Juana nach Herzenslust satt zu essen. Ansonsten konzentrierte sie sich ganz auf ihre neue Rolle als Junge. Sie war sich bewusst, dass sie auf den ersten Blick nicht viel Mädchenhaftes an sich hatte. Ihre Mutter hatte oft gesagt, dass sie mit ihren ausgeprägten Backenknochen und der lang gezogenen Nase weit mehr ihrem Bruder Miguel als sonst jemandem aus der Familie ähnele; die kurzen Haare unterstrichen diese Ähnlichkeit, und ihre Brust war so wenig ausgebildet, dass es noch kaum etwas zu verbergen gab. Sie feilte an ihrem Auftreten: Von Tag zu Tag trat sie burschikoser auf, verlieh ihren Bewegungen eine größere Entschiedenheit, übte sich im Vorlautsein und schließlich sogar im Rülpsen – das aber zunächst nur vor dem Stallburschen. Dem Doktor gegenüber gab sie sich weiter still und gesittet, denn mit ihm wollte sie es sich keinesfalls verderben, und je öfter der Doktor ihr des Abends Briefe diktierte, desto zufriedener wurde er mit ihr und sprach sie schließlich erneut auf ihre Herkunft an.
»Ich würde dich ja gern hierbehalten, Kind, aber dazu müsste ich wissen, dass dich wirklich niemand sucht.«
Catalina traten die Tränen in die Augen. Der Doktor legte das auf seine Weise aus.
»Heißt das, es lebt noch nicht einmal mehr ein Onkel oder eine Tante, die dich vermisst?«, fragte er sie betroffen.
Catalina nickte stumm.
»Nun, dann kannst du gern hierbleiben«, sagte der Doktor und wurde auf einmal recht munter. »Allerdings will ich dann auch etwas aus dir machen. So begabt, wie du bist, wäre es ein Jammer, dich nur Briefe schreiben zu lassen!«
Catalina, die sich gerade erst an ihr freies Leben gewöhnt hatte, hörte dies nicht gern, aber natürlich wollte sie auch nicht ihre Stellung verlieren. Als der Doktor ihr vorschlug, sie jeden Morgen ein Stündchen zu unterrichten und sie auf Dauer zu seinem Gehilfen zu machen, fügte sie sich also, und nachdem der Doktor gemerkt hatte, dass sie sogar Latein konnte, war seine Begeisterung für sie nicht mehr zu bremsen.
»Und all das hast du einfach so bei deinen wechselnden Herren gelernt?«, fragte er sie immer wieder, woraufhin Catalina nickte.
Ein paar Wochen nach ihrer Ankunft schickte sie der Doktor mit einem eiligen Brief zu seinem Freund, dem Regidor, dem Ratsherrn.
»Und ich bitte dich, Francisco, spute dich! Mein Freund Ignacio wartet dringlich auf meine Antwort.«
Catalina nahm den Brief fest in beide Hände und stürmte aus dem Haus, doch kaum hatte sie die erste Straßenecke hinter sich gelassen, versperrte ihr eine Rotte von sechs Straßenjungen den Weg. Unsicher blieb sie stehen. Die meisten der Jungen waren kaum halb so alt wie sie und so mager, dass sie nicht einmal einen alten Mann, viel weniger aber eine inzwischen gut genährte de Erauso erschrecken konnten. Der Kleinste von ihnen, ein aschblondes Bürschchen, dem erst kürzlich die oberen Milchzähne ausgefallen waren, trat noch einen weiteren Schritt auf sie zu. »Wohin so eilig?«, krähte er laut.
»Was geht dich das an?«, knurrte Catalina und schob den kleinen Wichtigtuer beiseite, doch da drängte auf einmal die ganze Rotte auf sie zu.
»Bist du taub?«, knurrte der Junge rechts neben ihr. »Koldo hat dich gefragt, wohin du so eilig willst!«
»Jetzt macht schon den Weg frei!«, erwiderte Catalina ärgerlich und schob sich zwischen ihnen hindurch. Da packte sie jemand von hinten an den Haaren, hob sie hoch – und ließ sie nicht wieder los. Vor Schmerz aufschreiend krallte Catalina nach den Händen, die ihr noch allzu gut bekannt waren, versuchte, einen der Finger zu greifen und ihn nach oben zu biegen, und trat gleichzeitig wutentbrannt nach hinten aus. Schließlich rutschte sie dem Angreifer wenigstens aus den Händen. Schnell rappelte sie sich hoch und wollte
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