Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
da sie ständig neues Salz auf die Fußsohlen streuen und die Zungen von Ziegen sehr rau sind, haben sie einem bald die Haut runtergeleckt und bohren sich mit ihren Zungen tiefer und tiefer ins Fleisch hinein. Bei mir haben sie an einigen Stellen erst Ruhe gegeben, als sie die Knochen blank gelegt hatten.«
Während weitere Schreie zu ihnen drangen, zog er sich seine Schuhe wieder über. »Meine Fußsohlen waren damals nur noch eine einzige große Wunde. Als das Ganze zu eitern und täglich mehr zu stinken begann, dachte ich, ich würde mich von unten nach oben zersetzen und verfaulen. Ehrlich gesagt wäre mir das damals nur recht gewesen. So hätte die Qual wenigstens ein Ende gehabt. Aber sie hatten ja noch immer kein Geständnis von mir, und so war ihnen daran gelegen, dass ich wieder zu Kräften kam. Sie holten einen Bader, der die Wunden tatsächlich wieder zum Zuheilen gebracht hat – auch wenn mir seither jeder Schritt entsetzliche Schmerzen bereitet.«
Erschüttert fragte Catalina ihn, was man ihm denn vorgeworfen habe.
»Ein Nachbar hat mich angezeigt, ein Goldschmied wie ich. Er neidete mir, dass mein Geschäft so viel besser als das seine lief, und dachte, er könne mich so loswerden. Er hat behauptet, ich sei den Lutheranern verfallen – das hat den Herren von der Inquisition genügt. Mit der Folter wollten sie mein Geständnis herauspressen. Aber ich hatte nichts zu gestehen. Ich habe mit den Lutheranern nichts am Hut.«
Auf einmal erklang ein so mörderischer Schrei, dass einer von Catalinas Mitgefangenen vor Entsetzen mit aufschrie.
»Klingt nach Rad«, meinte der Mann mit den milden Augen und rieb sich die Schulter.
Catalina wäre es lieber gewesen, er hätte jetzt nichts mehr erzählt, doch er fuhr fort: »Sie flechten dich auf ein Rad und befestigen deine Hand- und Fußgelenke an Seilen, die mit einem Hebel und einem Sperrrad verbunden sind. Alles Weitere ist sehr simpel: Der Henkermeister muss nur noch den Hebel betätigen und dir werden die Arme und Beine aus den Gelenkpfannen gerissen. Noch grauenhafter aber ist der Schmerz in den Knien, die sich trotz der Zugkraft an beiden Seiten nicht teilen wollen. Ich schwöre dir: Hätten sie mir damals eine Axt gegeben, ich hätte sie mir eigenhändig durchtrennt.«
»Und selbst danach hast du noch nicht alles zugegeben, was sie wollten?«, staunte Catalina.
Der Mann mit den milden Augen lächelte. »Nein, auch danach nicht. Dazu liebe ich meinen Gott zu sehr. Ob ich allerdings noch eine Folter durchgestanden hätte, weiß ich nicht. Zwei Wochen später sollte ich in den Stachelstuhl gepresst werden. In der Sitzfläche, der Rücken- und den Armlehnen stecken nadelspitze Dornen, und in die drücken sie dich tiefer und tiefer hinein …« Er machte eine Pause. »In der Zwischenzeit aber war der Mann, der mich angezeigt hatte, schwer erkrankt. Er rang mit dem Tod. Da packte ihn die Angst, dass die Krankheit die Strafe für seine Lügen war. Er ließ den Priester holen und gestand, dass er mich nur aus Missgunst angezeigt hatte. Geholfen hat ihm seine Beichte nichts; er starb noch in der gleichen Nacht. Und für mich …« Er hob die Hände und ließ sie wieder fallen. »Auch für mich kam sie zu spät. Meine Hände sind so zerstört, dass ich nie wieder in meinem Beruf arbeiten kann. Seither stehle ich, um meine Familie und mich über Wasser zu halten. Und deswegen sitze ich jetzt hier ein.«
Catalina wurde sich bewusst, dass die Schreie aufgehört hatten und auch ihre Mitgefangenen jetzt ganz still waren. Die Stille erfüllte sie mit noch mehr Grauen als zuvor die Schreie der Gefolterten.
In welchem Zustand waren diese armen Menschen jetzt? Die Zündhölzer … der eiserne Handschuh … die Ziegenfolter … das Rad … Auf einmal war Catalina froh, dass man das Urteil über sie schon gesprochen hatte.
23
E inige Tage später vernahmen sie von fern regelmäßiges Hämmern. Sie wunderten sich, wie viel da draußen los sein musste, dass der Lärm bis zu ihnen hinunter in den Keller drang.
»Das sind die Vorbereitungen für die jährlichen Feste«, ging schließlich einem der Gefangenen auf, der erst vor zwei Tagen zu ihnen gesteckt worden war. Das löste in der Zelle eine geradezu hysterische Munterkeit aus. Die Schreie der Gefolterten hatten ihnen allen an den Nerven gezehrt, doch wenn jetzt nur noch wenige Tage bis zum Fest fehlten, wurden die Verhöre sicher nicht fortgeführt. Das Urteil stand gewöhnlich ohnehin schon im Vorfeld
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