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Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)

Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)

Titel: Die Nonne mit dem Schwert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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fest, und wenn ein Angeklagter sich weigerte zu gestehen, bewies das keineswegs seine Unschuld, sondern nur, wie verstockt er war und dass er mit dem Teufel im Bunde stehen musste. Wichtiger als ein Geständnis war den Inquisitoren nun, dass die Angeklagten sich von ihren Torturen erholten. Ein Verurteilter, den man zu seinem Scheiterhaufen tragen musste, gab kein würdiges Bild ab.
    Die Gefangenen begannen, vom vorjährigen Fest zu erzählen. Wie turbulent es da zugegangen sei, mit all den Gauklern und Händlern, und wie prächtig die Scheiterhaufen gebrannt hätten. Einer, der sich seinen Lebensunterhalt als Taschendieb verdiente, sorgte sich, ob man ihn noch vor den Festlichkeiten entlassen würde. »Eigentlich hatten sie mich nur zu zehn Tagen verurteilt, und jetzt sitze ich schon einen ganzen Monat hier drinnen. Die werden mich doch nicht um mein Feiertagsgeschäft bringen wollen.«
    Ihr Gegenüber zündete eine Kerze an. Catalina hatte ihm vor ein paar Tagen zwanzig Pesos gegeben, für die er eine größere Menge Kerzen und ein paar Extraeinheiten Essen für sie und sich gekauft hatte, die Catalina jedoch von sich gewiesen hatte. Ihr genügte, was ihnen der Kerkermeister brachte. Für den Lichtschein der Kerze allerdings war sie dankbar. Trotzdem wartete sie stets, bis ihr Mitgefangener von selbst auf die Idee kam, wieder einmal eine Kerze anzuzünden. Sie hatte keine Kraft mehr zum Bitten.
    »Hier, wenn du willst, stell ich die Kerze neben dich«, bot er ihr an. Es war das erste Mal, dass er ihr eine Kerze ganz überließ. Catalina wusste, warum er so freundlich zu ihr war.
    »Wird eine der letzten sein, die ich niederbrennen sehe …«, murmelte sie und rieb sich die klammen Hände über der Flamme, ohne dass sie davon wärmer wurden.
    »Wer weiß«, brummte der Bärtige.
    Catalina winkte müde ab.
    Das Knarzen der Tür ließ sie aufsehen. Erstaunt sahen sie den Kerkermeister eintreten. Er winkte Catalina zu sich. Sie blickte wissend zu ihrem Mitgefangenen.
    »Aber … aber das Fest«, haspelte der erschrocken. »Das ist doch erst in zwei Tagen.«
    Catalina erhob sich. Doch der Bärtige hielt sie am Hosenbein fest. »Warte, so bleib doch, du hast doch noch Zeit!« Er sah zu dem Kerkermeister. »So lass ihn doch noch hier!«
    Der Kerkermeister warf ihm einen so drohenden Blick zu, dass er Catalina augenblicklich wieder losließ und wie ein geprügelter Hund auf sein Häufchen Stroh zurückwich. Als Catalina weiterging, brummte er: »Wird schon noch werden, das wird schon noch, Francisco, wirst schon sehen!«
    Kurz bevor Catalina an der Zellentür war, huschte sie dem Kerkermeister unter dem Arm hindurch und drückte dem Bärtigen die Hand. Von den anderen unbemerkt wechselten dabei ein paar Münzen den Besitzer. Der Kerkermeister packte Catalina an den Haaren und stieß sie in den Flur. Bevor die Tür ins Schloss krachte, hörte Catalina den Bärtigen noch einmal: »Wird schon noch, wird schon noch werden!« rufen. Und seine Stimme klang hoffnungsvoller denn je.
    Der Kerkermeister führte sie hoch ins Erdgeschoss und sperrte sie dort in eine Zelle, von der ein winziges, vergittertes Fenster zur Plaza de Armas ging.
    »Eine unserer Todeskandidatenzellen«, erklärte er ihr, ohne eine Miene zu verziehen. »Es soll dir doch nicht entgehen, welche Mühe wir uns geben, deine Hinrichtung festlich auszurichten.«
    Er schob Catalina zu dem kleinen Fenster, von dem aus man direkt auf die Hinrichtungsstätte blicken konnte. Ameisengleich stoben dort die mit der Errichtung der Tribünen, Gerüste und der Scheiterhaufen beauftragten Männer mit Brettern, Sägen und Hämmern hin und her. Beim Anblick des Galgens wurde ihr eiskalt. Doch sie ließ sich nichts anmerken. Bevor der Kerkermeister ihre Zelle verließ, warf er ihr deshalb einen so enttäuschten Blick zu, dass Catalina beinahe lächeln musste.
    Ihre neue Unterkunft war so winzig, dass kaum mehr als die steinerne Bank darin Platz fand, die als Bett diente. Darüber hinaus gab es nur noch den Latrineneimer und einen dreibeinigen Holzschemel. Catalina blickte wieder aus dem Fenster und versuchte, nicht das Errichten des Galgens, sondern den strahlend blauen Himmel, die gleißend helle Sonne, die gigantischen Palmen und herrlich bunten Ponchos und Mützen der indianischen Arbeiter zu sehen. Genieße es, sagte sie sich. Lange wirst du dich nicht mehr an dem Anblick freuen können! Aber die Bilder riefen kein Echo in ihr hervor. Sie spürte nach wie vor nichts. Auch

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