Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
verurteilte Mann fing an, wie besessen zu brüllen. »Wir sind unschuldig!«, schrie er. »Ihr dürft das nicht tun, ihr versündigt euch!«
Ein Schlag gegen den Kopf mit dem Luntenstock brachte ihn zum Schweigen.
Derweil wurde es unter den Zuschauern wieder unruhig. Allzu viel Zeit hatten die Vorbereitungen, Predigten, Ermahnungen und Urteilsverlesungen nun schon in Anspruch genommen; jetzt wollte man endlich zu sehen bekommen, wofür man hergekommen war. Erste Rufe wurden laut.
»Feuer, Feuer, steckt die Missgeburten endlich an!«, erklang es aus dem Publikum.
»Die Hexe zuerst!«, schrie ein anderer und blickte schadenfroh auf deren Mann. Und wirklich heulte dieser sofort auf. »So verschont doch meine Frau! So verschont doch wenigstens meine Frau!«
Catalina war wie erstarrt. Sie war sicher gewesen, dass die Verbrennungen erst nach ihrer Hinrichtung durchgeführt würden. Dem zuzusehen … Nein, das würde sie nicht ertragen.
Sie überlegte, ob die Hellebardisten sie wohl erschießen würden, wenn sie versuchte wegzulaufen, und machte einen hoffnungsvollen Schritt nach vorn – doch die Wachleute packten sie sofort am Arm, und der eine stieß ihr so hart mit dem Kolben seiner Muskete in die Niere, dass sie vor Schmerz in die Knie ging.
»Gott unser Herr sei eurer sündigen Seele gnädig!«, hörte Catalina den Bischof mit lauter Stimme rufen, danach stimmte er das Vaterunser an: »Pater noster qui es in caelis …«
Mit seinem Amen zugleich schwoll in der Menge Jubel an. Er gab dem Henker den Befehl, mit der Vollstreckung zu beginnen, und setzte sich erwartungsvoll auf seinen mit rotem Samt bezogenen Stuhl.
Der Henker winkte seine Helfer herbei, verteilte brennende Lunten und wies jedem einen Scheiterhaufen zu.
»Bei drei senkt ihr die Lunte!«, rief er ihnen zu und begann zu zählen: »Eins, zwei und drei!«
Die Lunten sanken zu dem strohtrockenen Reisig am unteren Rand des Scheiterhaufens. Sofort begann es zu knistern, erste Flämmchen zündeten auf und fraßen sich an die Füße der Verurteilten heran. Während die anderen ihre Augen schlossen, begann der der Hexerei Beschuldigte erneut zu schreien. In wilder Verzweiflung versuchte er seine Füße hochzuziehen, drehte und wendete sich dabei immer erbärmlicher, flehte und schluchzte, weinte und schrie und löste damit in der Menge begeistertes Gelächter und in Catalina Höllenqualen aus.
»Oh mein Gott«, betete sie. »So lass es doch vorübergehen, so lass es doch schon zu Ende sein!« Die Flammen erfassten das Fleisch der Verurteilten und entrissen ihnen so schreckliche Schmerzensschreie, dass auch noch den hartgesottensten Zuschauern das Lachen verging. Der entsetzliche Gestank des verbrennenden Fleisches mischte sich auf ekelhafte Weise mit dem Geruch von gebackenen Ölkringeln, so dass es Catalina übel wurde. Die Eier, die Bohnen und der Wein drangen ihr sauer in den Mund.
»Wag das bloß nicht!«, herrschte sie einer der Hellebardisten an.
Hastig presste Catalina die Hände auf den Mund, schluckte, doch Eier, Bohnen und Wein kamen wieder hoch und schossen zwischen ihren Fingern hindurch. Die Hellebardisten sprangen zur Seite und stießen Catalina mit den Mündungen ihrer Musketen weiter nach vorn, um dem säuerlichen Geruch ihres Erbrochenen zu entgehen. Als sie wieder zu den Ketzern sah, waren nur noch rot glühende Feuerbälle und Unmengen von Rauch zu erkennen.
Der Bischof wies auf sie und die beiden Männer.
»Nun sind sie an der Reihe!«
Catalinas Kopf fuhr zu ihm herum, dann zum Galgen, dann zu den Hellebardisten. Schlagartig kam die Angst …
Die Wachen stießen sie vor zu den Galgen, an deren Stufen sie die Helfer des Henkers erwarteten. Auf Catalina wartete ein kleiner, untersetzter Kerl mit schmierigem Haar. Mit eisernem Griff packte er sie am Arm und stieß sie die Stufen hoch. Catalina warf einen Blick auf den Strick und blieb unwillkürlich stehen. Der Gehilfe zerrte sie weiter. Auf der letzten Stufe blieb Catalina wieder stehen; sie konnte nicht mehr weiter. Der Henkersknecht versetzte ihr einen Stoß, dann stand sie oben auf dem Podest, und der Strick baumelte vor ihrer Nase.
Der Henker trat auf sie zu, schob sie ein Stück zurück, legte ihr den Strick um den Hals und ging weiter zu den anderen Verurteilten. Der Verurteilte neben Catalina ließ es ruhig über sich ergehen, der Dritte wehrte sich so heftig, dass zwei Hellebardisten hinzukommen mussten, um ihn zu bändigen. Schließlich hatte auch jener seinen
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