Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
bewacht. Am Kai kontrollierten bewaffnete Zollbeamte den beständigen Strom der ein- und auslaufenden Waren, weiter hinten zogen sich hohe Kasernenbauten am Ufer entlang. Ihre auf Hochglanz polierten Kanonen erweckten den Eindruck, dass man für Angriffe bestens gewappnet war.
Als Catalina sich mit ihren Tieren einen Weg bahnen wollte, stolperte sie über einen Fuß, der zwischen zum Verladen bereitstehenden Fässern herausragte. Erbost wollte sie den vermeintlichen Betrunkenen zusammenstauchen, da sah sie, dass der Fuß einer Frau mittleren Alters gehörte, die einen so jämmerlichen Anblick bot, dass Catalina ihre Worte im Halse stecken blieben. Bleich hockte sie in ihrem Eckchen, zerkrümelte altbackenes Brot zwischen den Fingern und sah zu, wie es auf ihren fadenscheinigen Rock rieselte. Erst auf den zweiten Blick bemerkte Catalina den Sanbenito, den sie über ihren Lumpen trug. Catalina hatte schon davon gehört, dass die heilige Inquisition nicht alle Sünder zum ihre Seele reinigenden Tod auf den Scheiterhaufen schickte, sondern sich manchmal auch gnädig zeigte und den Ketzer nur zum lebenslangen Tragen des Sanbenitos verurteilte. Der Anblick dieser Frau führte Catalina vor Augen, dass auch dies eine unmenschliche Strafe war. Natürlich würde niemand dieser Sünderin in ihrem Büßerhemd eine Arbeit geben, und die Schande, mit ihr in einem Haus zu leben, wollte auch niemand auf sich nehmen. Betteln war das Einzige, was dieser armen Kreatur blieb, und ihrem hohlwangigen Gesicht war anzusehen, dass sich nicht allzu oft jemand fand, der genug Mitleid mit ihr hatte, um ein paar Münzen für sie fallen zu lassen. Catalina war bewusst, dass auch sie hier so sitzen könnte – dann nämlich, wenn sie im Gefängnis in Cuzco als Frau erkannt worden wäre und einen »milden« Richter gefunden hätte. Catalina strich sich über die Stirn.
Da torkelten drei Matrosen um die Ecke. Verfilzte Bärte umwucherten ihre derben Gesichter; grölend ließen sie eine Flasche Rum herumgehen. Catalina wich zur Seite. Bloß keinen Ärger mit denen!, dachte sie. Sie liefen an ihr vorbei, doch drei Schritte weiter stolperte einer von ihnen ebenfalls über den Fuß der Frau im Sanbenito. Es war ein mächtiger Kerl mit einem wabbeligen Bauch, der wie Hefeteig zwischen seinem allzu kurzen Hemd und dem Bund der Hose hervorquoll.
»Verdammter Scheißkerl!«, lallte er, erkannte im nächsten Moment, dass der »Kerl« eine Frau war, und ging noch einen Schritt weiter auf sie zu. Catalina sah, wie die Augen der Frau erstarrten und ihre Finger das Brot immer schneller zermahlten.
»Mein Gott, lass ihn weitergehen«, flehte Catalina stumm, doch statt seinen Weg fortzusetzen, rief der Feiste seine Kumpane herbei. »He, guckt mal, was hier liegt!«
Sie torkelten zu ihm und grinsten, als sie die Frau sahen. Der Feiste trat ihr mit dem Stiefel in die Seite. »Na, wie wär’s, Vogelscheuche? Würde auch ein Abendessen für dich rausspringen!«
»So einer brauchst du doch kein Abendessen zu spendieren!« Sein Freund, ein kleiner Drahtiger, tippte sich an die Stirn. »So eine nimmt man sich einfach.« Er lachte und riss die Frau hoch. Im nächsten Moment brach sie wimmernd in sich zusammen. Die Männer lachten. »Wenn wir erst einmal mit dir angefangen haben, werden noch andere Töne aus dir rauskommen!«
»Jetzt lasst sie schon in Ruhe!«, rief Catalina. »Ihr seht doch, dass es ihr nicht gut geht. Hinten im Hafen gibt es Hurenhäuser, holt euch da, was ihr braucht!«
»Halt’s Maul, Kerlchen, sonst nehmen wir dich zum Nachtisch«, zischte der Feiste sie an und nestelte an seinem Gürtel. »Los, wir nehmen die Metze gleich hier. Ist doch ganz gemütlich, dieses Eckchen!«
Das Wimmern der Frau wurde lauter. Catalina starrte entsetzt zwischen ihr und den Männern hin und her und beschloss zu verschwinden, aber als sie einen Schritt zurücktrat, stieß sie gegen ihr Maultier. Das störrische Tier wich keinen Millimeter. Während der kleine Drahtige die Frau gegen eines der Fässer presste, drehte sie sich zu ihrem Maultier um. »Nun beweg dich schon!«, zischte sie und drückte an ihm herum. Da schrie die Frau auf. Ein jämmerlicher Schrei. Catalina sah wieder zu ihr. Der Feiste hatte inzwischen die Hose heruntergelassen, und seine Kumpane drückten die Frau zu Boden. Sie wehrte sich nicht, schlaff lag sie da, und wenn nicht weiter dieses Wimmern aus ihr gedrungen wäre, hätte man sie für tot halten können. Catalinas Hand fuhr
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