Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
hängten sich vier Männer gleichzeitig an Mikel und Catalina. Einer der Hellebardisten hob seine Muskete und schoss in die Luft. Für den Moment waren Mikel und Catalina frei. Mikel gab seinem Pferd die Sporen.
»Lauf, los, lauf wie noch nie in deinem Leben!«, feuerte er das brave Tier an. Sein Pferd galoppierte davon, als hätte es ihn verstanden.
25
E rst als sie weit außerhalb der Stadt waren, ließ Mikel sein Pferd in den Trab zurückfallen. Immer noch wandte er sich regelmäßig um und hielt nach Verfolgern Ausschau. Catalina selbst wagte nicht, ihren Blick zu wenden. Sie wollte nicht Mikels Augen begegnen. Es gab so vieles, was jetzt zwischen ihnen hätte gesagt werden müssen – aber seit sie Cuzco hinter sich gelassen hatten, schwieg Mikel, und sie traute sich nicht, das Wort zu ergreifen.
Als sie weitere zwei Meilen zwischen sich und die Stadt gebracht hatten, gelangten sie an eine Lichtung. Mikel half Catalina beim Absteigen, sprang selbst ab, warf ihr die Zügel zu und ging in eine Höhle. Beim Hinauskommen zog er Catalinas Tiere hinter sich her. Als Catalina ihr treues Maultier und das brave Lama sah, lächelte sie vor Freude zum ersten Mal seit langer Zeit.
»In den Satteltaschen stecken Proviant und ein Degen«, brummte Mikel und blickte ihr zum ersten Mal, seit er sie unter dem Galgen gesehen hatte, wieder in die Augen. Sein Blick war so scheu, dass Catalina gleich wieder zu Boden sehen musste. Sie verstand nicht, warum alles so hatte kommen müssen.
»Du siehst besser zu, dass du rasch weiterkommst«, fuhr Mikel fort. »Der Pöbel wird kein Erbarmen mir dir haben, wenn er dich findet.« Er räusperte sich und reichte ihr die Zügel ihrer Tiere. Catalina gab ihm dafür die seiner Stute, nahm all ihren Mut zusammen und sah zu ihm auf. »Wie kann ich das je wieder gutmachen?«
»Versuch einfach, Schwierigkeiten für eine Weile aus dem Weg zu gehen!« Mikel lächelte. Es war ein recht schiefes, unbeholfenes Lächeln, das Catalina tief berührte.
»Wie hast du mich da eigentlich rausbekommen?«, fragte sie noch.
Mikel hob die Achseln. »Noch nie etwas davon gehört, dass man in Peru für Geld so ziemlich alles haben kann?«
Obwohl Catalina wusste, dass die Zeit drängte, konnte sie sich nicht dazu durchringen loszureiten. Sie fragte sich, was Mikel nun tun würde. Schließlich würde auch er nicht in Cuzco bleiben können. Mikel erwiderte stumm ihren Blick. Das Maultier stieß Catalina in den Rücken. Sie drehte sich zu ihm um und rubbelte ihm mit den Fingerknöcheln über das Fell zwischen den Ohren. Vor Wonne schloss es die Augen.
»Wir … wir machen uns jetzt besser auf den Weg«, murmelte Catalina. Mikel brummelte »Viel Glück!«, ging zu seinem Pferd und zupfte ihm ein paar Blätter aus der Mähne, die es sich bei dem rasanten Ritt durch den Wald eingefangen hatte. Catalina unterdrückte einen Seufzer und schwang sich in den Sattel. »Auch dir viel Glück!«
Da Mikel seine Pflückarbeit stoisch fortsetzte, stieß sie dem Maultier die Fersen in die Flanken. Das Tier marschierte an Mikel vorbei. Mehrmals war Catalina versucht, den Kopf zu ihm umzuwenden, unterließ es jedoch, als könne es Unglück bringen.
In den nächsten Wochen ritt Catalina stur Richtung Westen. Sie wollte nach Lima. Nicht nur Mikel hatte ihr von der Stadt des Vizekönigs vorgeschwärmt. Lima hatte ein angenehmes Klima, lag inmitten fruchtbaren Ackerlands und überdies am Ufer eines breiten Stroms, der in Callao, in einer Entfernung von nur zwei Leguas, ins Meer mündete. Nach dem Meer sehnte sich Catalina ganz besonders.
Als sie den Hafen von Callao erreichte, trudelten dort gerade die letzten Fischerkähne ein. Der würzige Geruch des Ozeans und das geschäftige Treiben auf den Booten erinnerten Catalina an ihre Zeit auf See. Sie musste an Tao Te Chen denken. Wie viel hätte sie darum gegeben, ihn einmal wiederzusehen!
Während die Fischer ihren Fang auf zweirädrige Karren verluden und hinüber zum Fischmarkt schoben, lief Catalina zum hinteren Hafenbecken weiter. Prächtige Galeonen wiegten sich dort mit eingeholten Segeln an der Kaimauer und schwer beladene Schaluppen pendelten zwischen weiter draußen liegenden Schiffen und der Küste hin und her. Catalina wusste, dass hier nahezu alles umgesetzt wurde: Gold und Kerzentalg, Schießpulver und Brokatstoffe, selbst Vizekönige und Negersklaven kamen hier in Callao an. Es war der größte Umschlagplatz des Vizekönigreichs Peru und wurde entsprechend stark
Weitere Kostenlose Bücher