Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
los, schnell, beeilt euch, ehe es reißt!«
Während sich die anderen Matrosen schon an den Wanten hochhangelten, blickte Catalina noch skeptisch zu der in schwindelerregender Höhe hängenden Rahe hoch, woraufhin der Erste Offizier so dicht vor sie trat, dass sie den Knoblauch riechen konnte, mit dem am Mittag sein Lammkotelett gespickt gewesen war.
»Wenn du nicht augenblicklich deinen Arsch bewegst …«, zischte er sie an, und schon flitzte Catalina los. Bis sie oben ankam, hatten sich die anderen Matrosen längst über das unter der Rahe entlanglaufende Tau zu ihren Plätzen vorgearbeitet. Es fehlte nur noch Catalina, um das sich immer heftiger blähende Segel hochzuziehen. Endlich stand auch Catalina auf diesem Tau und umfasste mit beiden Händen das dicke Rundholz der Rahe, als sich das Schiff plötzlich weit nach Steuerbord legte. Catalina, die auf diesen Schwenker nicht gefasst gewesen war, versuchte, sich an der Rahe festzuklammern, aber je weiter sich das Schiff zur Seite neigte, desto mehr rutschten ihre Hände an dem glatten Holz ab, bis sie schließlich ganz den Halt verlor und nach hinten wegkippte. Catalina schrie, doch statt in die Tiefe zu stürzen, wurde sie auf einmal durch einen harten Schlag auf den Rücken wieder nach vorn zur Rahe geworfen. Giuseppe packte sie am Wams und drückte sie noch einen weiteren Moment gegen die Rahe, um ihr Zeit zu geben, ihr Gleichgewicht wiederzufinden und die Rahe sicher zu umfassen. Sekunden später hatte Catalina den Schrecken so weit überwunden, dass sie sich zu ihm umdrehen konnte. Giuseppe zwinkerte ihr zu. »Das passiert einem nur einmal. Danach ist man entweder tot oder hat kapiert, wie man sich festhalten muss!«
Catalina nickte und schlang ihre Arme noch fester um die Rahe.
»Ja, wird das heute noch mal was?«, schimpften die anderen Matrosen, und auch der Erste Offizier schleuderte wüste Drohungen nach oben.
Giuseppe nickte ihr zu. »Schau, was ich mache, und mache es genauso. Du musst mitziehen – ohne dich kriegen wir das Segel nicht hoch! Geht es jetzt?«
Catalina nickte, und Giuseppe machte ihr vor, wie sie gleichzeitig am Tau ziehen und sich festhalten konnte. Zögerlich schob Catalina ihren linken Arm vor, ergriff das Hisstau und führte schließlich alle anderen Handgriffe nach Giuseppes Anleitung aus. Als sie wieder sicher unten an Deck war, zitterten ihr die Knie. Sie schielte nach dem Ersten Offizier, sah, dass er in der Kapitänskajüte verschwand, und setzte sich auf den Boden. Giuseppe ging vor ihr in die Hocke und legte ihr die Hand auf die Schulter.
»Alles nicht so einfach, was?« Er zwinkerte ihr zu.
»Du … du hast mir das Leben gerettet«, stammelte Catalina. Giuseppe strich ihr übers Haar. Die Geste verwunderte Catalina, aber sie war noch viel zu durcheinander, um sich etwas dabei zu denken.
Im gleichen Moment drängte sich Tao Te Chen zwischen ihnen hindurch.
»Warum latschst du denn nicht außen herum?«, fuhr Giuseppe ihn ärgerlich an. Noch mehr als der ruppige Ton erstaunte Catalina der drohende Blick, den Tao Te Chen Giuseppe zuwarf, und der Hass, mit dem Giuseppe ihn erwiderte. Was war nur vorgefallen zwischen den beiden?, fragte sie sich.
Erst am Abend beim Spülen fand sie Gelegenheit, Tao Te Chen auf den Zwischenfall anzusprechen.
»Die Art, wie du Giuseppe angerempelt hast, war nicht gerade nett. Du hast doch gesehen, dass er mir kurz zuvor das Leben gerettet hat, oder nicht?«
»Und du meinst, das hätte nicht auch jeder andere an seiner Stelle getan?« Tao Te Chen warf fünf Teller gleichzeitig in die Spülschüssel. Das Wasser spritzte in alle Richtungen.
»Was bist du denn so wütend?« Catalina trocknete sich das Gesicht mit dem Ärmel. »Und was hat dir Giuseppe getan? Ich kann wirklich nichts gegen ihn sagen, und außerdem ist er der Einzige, der mir auch einmal was erklärt und mich damit davor bewahrt, einen Fehler nach dem anderen zu machen und am Ende wieder die Peitsche des Ersten Offiziers zu spüren zu bekommen!«
»Antonio würde dir auch was erklären!«
»Der?« Catalina lachte auf. »Der guckt mich doch noch nicht mal mit dem Hintern an!«
»Ein bisschen um ihn bemühen muss man sich schon. Und was das Thema Hintern betrifft …« Tao Te Chen warf einen neuen Schwung Teller in die Schüssel. Diesmal schwappte das Wasser so hoch, dass seine ganze Hose nass wurde. Er fluchte und knurrte auf Chinesisch. Aber mittendrin zwischen all den fremdländischen Lauten klang doch immer wieder
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