Die Nonne und der Tod
dachte ich. Wenn ich Wilbolt das nächste Mal sah, würde er die Soldaten auf mich hetzen, daran gab es keinen Zweifel.
In der Höhle war es kühl. Die Luft roch nach Bier und Kohl. Dythmar kochte etwas in dem Kessel über der Feuerstelle.
»Wo warst du?«, fragte Richard. Er saß mit Paul, Czyne und einem Schmuggler namens Eckehart an einem der Tische und spielte ein Würfelspiel. Jacob lag in seiner Kammer und schlief. Die meisten Schmuggler waren wie so oft unterwegs, erledigten entweder Aufträge oder arbeiteten in die eigene Tasche. Nicht immer kehrten alle von diesen Ausflügen zurück,
»Ich habe auf dem Markt nach Kräutern gesucht, aber es gab keine.«
Czyne sah mich an. »Du solltest nicht allein rausgehen. Manche machen sich dann Sorgen und ruinieren das Vergnügen anderer.«
Richard verzog das Gesicht und schwieg.
»Es kommt nicht wieder vor«, versprach ich, meinte es aber nicht ernst.
Ich ging kurz zu Jacob, legte meine Hand auf seine Stirn und lauschte seinem Atem. Das Fieber war vollkommen abgeklungen.
»Ich habe darüber nachgedacht, wie wir den Rat wissen lassen können, dass die Seuche hier angekommen ist«, sagte ich, als ich mich an den Tisch setzte. »Vielleicht wäre es am besten, Erasmus davon zu erzählen. Er kennt uns und weiß, dass wir keinen Grund haben zu lügen.«
»Wir haben bereits beschlossen, dass wir uns nicht einmischen.« Czyne ließ den Würfelbecher auf den Tisch knallen. »Die Preise werden in die Höhe schießen, wenn sich das erst herumspricht. Bis dahin sollten wir unsere Vorräte aufstocken.«
Sie hob den Becher und fluchte, als sie die Augen auf den Würfeln sah. Eckehart grinste, dann stand er auf. »Wartet auf mich, ich hole mir einen Umhang. Ist verdammt kalt hier unten.«
Ich beachtete ihn nicht, sondern sah Czyne an. »Du willst die ganze Stadt in ihr Verderben laufen lassen, nur um Geld damit zu verdienen?«
Ich sagte du , nicht ihr , weil ich mir denken konnte, von wem die Idee stammte.
»Die Seuche ist hier, und ob wir das jemandem sagen oder nicht, ändert nichts.« Czyne sammelte die Würfel ein und reichte Richard den Becher. »Was würde der Rat denn mit diesem Wissen anfangen? Beten? Kopflos wie Hühner herumrennen? Oder würden die reichsten Familien Coellens nicht genau das tun, was wir vorhaben – Vorräte billig kaufen und anschließend, wenn die Felder brachliegen und das Vieh im Wald umherwandert, teuer verkaufen? Besser wir machen den Profit als die reichen Pfeffersäcke, die ohnehin schon im Reichtum schwimmen, oder?«
Ich sah Richard an, wartete auf seine Antwort.
»Sie hat recht, aber es gibt noch einen anderen Grund.« Er drehte den Würfelbecher zwischen den Händen. »Wir haben in den letzten Tagen viel von unseren Leuten verlangt. Es wird Zeit, dass wir ihnen beweisen, dass wir auch an ihr Wohl denken, nicht nur an das von … Fremden.«
»Sonst ist das Schmugglergeschäft ganz schnell in Georgs Hand«, fügte Czyne hinzu. »Die Leute, mit denen wir uns umgeben, sind nur loyal, solange ihre Mägen und ihre Taschen voll sind. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede.«
»Außerdem wissen wir gar nicht, ob Jacob jemanden angesteckt hat«, erinnerte Richard. »Bisher war er der Einzige, der erkrankte, und er ist offenbar geheilt. In der ganzen Stadt ist kein weiterer Krankheitsfall bekannt. Wahrscheinlich gibt es gar keine Seuche.«
Das wäre natürlich ein schlagendes Argument gewesen – hätte mir Jacob nicht erzählt, dass die toten Ratten ein sicheres Vorzeichen für die Seuche wären.
Andererseits hatte ich bei meinem Ausflug bemerkt, dass es nicht mehr tote Ratten geworden waren, sondern eher weniger. Vielleicht hatte Richard also recht, vielleicht bestand gar kein Grund zur Sorge.
Richard sah mich an, als erwartete er, dass ich ein weiteres Mal widersprechen würde, dann stieß ihn Czyne an und sagte: »Willst du würfeln oder den Becher heiraten?«
Er wandte den Kopf und grinste sie an: »Du kannst es wohl nicht erwarten zu verlieren, oder?«
Der Becher krachte auf den Tisch. Einen Moment später fluchte Czyne, und Richard lachte. Es klang unecht.
Ich schwieg, denn mir war klar geworden, dass ich die Entscheidung der beiden nicht mehr beeinflussen konnte. Ich hatte die Möglichkeit gehabt, ihnen zuvorzukommen, doch ich hatte sie vorbeiziehen lassen und musste nun mit den Konsequenzen meiner eigenen Entscheidung leben.
Ich konnte nur hoffen, dass Richard mit seiner Einschätzung richtiglag und die Gefahr einer Seuche
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