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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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ist nicht wahr.« Benediktas Stimme wurde lauter. »Lügen ist eine Sünde.«
    Alfonsa hob die Schultern. Die Buchstaben auf ihrem Pergament wirkten uneinheitlich und krakelig wie die eines Kindes. »Jeder außer dir weiß das.«
    Ihre herablassende Art störte mich, deshalb sagte ich: »Ich weiß es auch nicht.«
    »Dann weiß es eben jeder außer der Närrin und der Hur…«
    »Was ist dort hinten los?« Schwester Johannita war von ihrem Pult aufgestanden und stützte die Hände auf die Holzplatte rechts und links der Bibel. »Wie könnt ihr es wagen, über die Worte des Herrn hinweg zu reden?«
    Wir standen auf, Klara so schnell, dass die Tinte beinahe aus der Halterung ihrer Schreibplatte gerutscht wäre; im letzten Moment hielt ich das Rinderhorn fest. Klaras Blick streifte den meinen, und ich glaubte, Dankbarkeit darin zu erkennen.
    Die anderen Nonnen, alle bis auf Constantia, die tief in ihre Arbeit versunken schien, starrten uns an.
    »Das habe ich versucht, Ketlin zu erklären«, sagte Alfonsa, »aber sie wollte nicht auf mich hören.«
    »Aber …«
    Benedikta und ich sprachen gleichzeitig, doch Schwester Johannitas erhobene Hand brachte uns zum Schweigen. »Die Sünde einer ist die Sünde aller. Nach der Non werdet ihr vier in der Kapelle bleiben und den Rosenkranz beten, bis ich euch holen lasse. Und nun arbeitet weiter – schweigend.«
    »Ja, Schwester. Danke, Schwester.«
    Die drei Novizinnen antworteten im Chor, ich ein wenig später. Die Ungerechtigkeit der Bestrafung und die Dreistigkeit von Alfonsas Lüge lagen schwer auf meiner Zunge, aber ich tat nichts, um sie zu erleichtern. Widerworte hätten Schwester Johannita auch nicht überzeugt.
    Demut, dachte ich. Demut, Bescheidenheit und Glauben. Alles andere wird sich dann schon von selbst ergeben.
    Es war kalt im Skriptorium, und der Tag verging mit quälender Langsamkeit. Ich ließ gelegentlich den trockenen Federkiel über das Pergament vor mir gleiten und übte dessen Haltung zwischen Daumen und Zeigefinger, doch irgendwann waren meine Finger steif vor Kälte, und ich setzte mich auf meine Hände, bis Schwester Johannita das verbot.
    Ich war froh über die Unterbrechungen, die Gebete zur Terz, zur Sext, schließlich zur Non. Wie befohlen blieben Klara, Alfonsa, Benedikta und ich nach dem Gebet in der Kapelle und legten uns flach auf den Boden, die Arme ausgebreitet, die Stirn auf den kalten Stein gepresst. Kein einziges Mal sahen wir uns an, und ich hörte nichts außer dem Murmeln der anderen Mädchen und dem gelegentlichen Zischen der beiden Kerzen, die den Altar vor uns erhellten.
    Nach einer Weile begann ich zu zittern. Meine Zähne schlugen so hart aufeinander, dass ich die Gebete kaum noch sprechen konnte, und der Drang, mich zusammenzurollen und die Hände zwischen den Knien zu wärmen, wurde beinahe übermächtig. Doch ich zwang mich liegen zu bleiben, bis ich schließlich hörte, wie die Kapellentür hinter uns geöffnet wurde.
    »Ihr dürft in eure Zellen gehen.«
    Mehr sagte Schwester Johannita nicht. Steif und ungelenk richtete ich mich auf, schob die Hände in die Ärmel meiner Kutte und verließ die Kapelle. Benedikta bog als Erste in ihre Zelle ab, dann betraten Klara, Alfonsa und ich die unsrige. Wortlos zogen wir unser Habit aus und begaben uns zu unseren Schlafstätten.
    Mein Magen knurrte, ich hatte Durst, und meine Hände zitterten noch immer. Trotzdem wagte ich es nicht, sie unter der Decke zu wärmen. Ich hatte Angst, dass Schwester Johannita in der Dunkelheit des Ganges stand und nur darauf wartete, dass ich das tat. In der kurzen Zeit, die ich im Kloster war, hatte ich mehr falsch als richtig gemacht. Das musste sich ändern, also schloss ich die Augen und begann, lautlos zu beten, um Kraft, um Einsicht und um Vergebung – wofür, wusste ich nicht genau.
    Neben mir auf ihren Schlafstätten flüsterten Klara und Alfonsa leise miteinander.
    Am nächsten Morgen, nach der Matutin, der Laudes, dem Frühstück und der Prim kehrte ich zurück ins Skriptorium. Ich erhielt ein Schreibbrett, ein wenig Pergament und eine alte, oft angespitzte Feder. Die Tinte teilte ich mir mit den Novizinnen, mit denen ich auch am Tag zuvor bereits in der Nische gesessen hatte. Schwester Johannita verfolgte wahrscheinlich ein Ziel damit, dass sie uns wieder zusammensetzte, obwohl es genügend andere Novizinnen gab, mit denen ich mir die Tinte hätte teilen können, doch welches Ziel das war, konnte ich nur vermuten. Vielleicht wollte sie unsere

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