Die Nonne und die Hure
notwendig, Christoph.«
»Ich bin schon wieder versöhnt«, meinte er und nahm ihre Hand. »Ich mache mir einfach Sorgen um dich.«
»Das weiß ich, Christoph. Du bist mir eine unschätzbare Hilfe – dein Freund Hans und Brinello ebenso. Lass mich nur dieses eine Mal machen; ich weiß schon, was ich tue.«
»Also gut«, erwiderte Christoph und lächelte, »aber nur, wenn ich dich begleiten darf.«
Am nächsten Morgen war die Luft noch frisch. Celina durchschritt die Gassen bis zum Kloster. Diesmal hatte sie ihr Gesicht hinter einem Schleier aus schwarzen Buranospitzen verborgen. Sturmmöwen und Schwalben flatterten über ihren Kopf hinweg. Es roch wie immer ein wenig nach Fisch. Der Pförtner erkannte sie, ließ sie ein. Celinas Herz klopfte schneller als sonst. Was würde sie erwarten? Konnte sie dem Abt wirklich vertrauen? Aber sie hatte keine andere Wahl. Sie musste einfach weiterkommen mit ihren Nachforschungen. Cornelli blickte sie misstrauisch an und gab ihr das Gefühl, als stünde sie nackt vor ihm.
Bevor sie zu Wort kommen konnte, begann er: »Ich habe über alles nachgedacht. Und ich sehe einen Weg, Euch zu helfen. Kommt doch ein wenig näher!«
Celina gab sich einen Ruck und trat zögernd vor den Abt hin. Er schaute ihr in die Augen.
»Ihr seid ein recht hübsches Ding«, sagte er. »Und dazu habt Ihr eine Menge Verstand. Ich könnte Euch nicht nur helfen, sondern Euch zu einer angesehenen Bürgerin dieser Stadt machen. – Daran knüpfe ich allerdings eine kleine Bedingung.«
Celina erschrak. »Ich habe kein Geld«, antwortete sie. »Falls es Euch darum gehen sollte, ehrwürdiger Vater.«
Seine Zunge fuhr über die fleischigen Lippen, seine Augen wurden starr. »Um Geld geht es nicht. Ich würde gelegentlich zu Euch kommen, und Ihr würdet ein wenig nett zu mir sein.« Er hüstelte scheinbar vornehm.
Celina glaubte zu verstehen. »Ihr wollt mich zu einer Kurtisane machen? Ist es das?«
»Was habt Ihr denn dagegen? Kurtisanen zählen zu den angesehensten Bürgerinnen der Stadt.«
»Ja, sie tragen die teuerste Kleidung, den schönsten Schmuck und lassen sich in Karossen spazieren fahren.«
»Hättet Ihr nicht Lust auf solch ein Leben?«
Celina spürte Zorn in sich aufsteigen. »Ich dachte, Ihr wolltet mir bei meiner Suche nach der Wahrheit helfen.«
»Die Wahrheit kommt immer zutage, einerlei, auf welchem Weg«, erwiderte der Abt.
»Das, ehrwürdiger Vater, überzeugt mich nicht. Ich sehe, dass Eure Ratschläge mich nicht weiterbringen.«
Sie wandte sich zum Gehen. Aus dem Augenwinkel sah sie die Veränderung in seinem Gesicht. Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen zusammengezogen. Er versteifte sich und machte ein paar hastige Schritte auf sie zu, bis er direkt vor ihr stand.
»Geht nicht, Celina, oder Ihr werdet es bereuen! Meine Angebote zurückzuweisen ist ein Sakrileg. Ihr könnt Euch denken, dass ich viel Macht und Ansehen habe in dieser Stadt. Es wäre Euer Niedergang, sich mir zu widersetzen!«
Celina lief es kalt den Rücken herunter. Sie drehte sich um, ging aus der Tür hinaus. Draußen saß Christoph wartend unter einer Linde und las in einem Buch. Nachdem er sie bemerkt hatte, kam er ihr auf halbem Weg entgegen.
»Du bist ja ganz bleich. Was ist geschehen?«, fragte erstatt einer Begrüßung. »Hat er dir ein unanständiges Angebot gemacht?«
Celina nickte nur.
Christoph ballte die Fäuste. »Am liebsten würde ich jetzt reingehen und ihm eins auf seinen blöden Schädel geben«, knurrte er.
»Das würde alles nur noch schlimmer machen. Wie soll es jetzt weitergehen?«
»Ich lasse dich erst einmal auf deine Insel zurückbringen. Dort wartest du ab, bis ich dir sagen kann, wie es mit deinen Angelegenheiten in der Stadt steht«, erwiderte Christoph.
Die nächsten Tage verbrachte Celina in fieberhafter Erwartung. Was hatte ihre Verweigerung ausgelöst? Konnte der Abt ihr tatsächlich etwas anhaben? Als sie an die Gesichter der toten Frauen dachte, wurde ihr eiskalt. Die meiste Zeit des Tages lief sie unruhig auf und ab. Sie war jeden Moment darauf gefasst, von den Häschern des Abtes ergriffen zu werden, und strich unruhig unter Johannisbrotbäumen und Mangroven dahin, ohne die Pracht der Blüten, die der Frühling hervorgebracht hatte, wahrzunehmen. Warum kam Christoph nicht? Sie wurde immer mutloser. Endlich sah sie das ersehnte Boot. Es näherte sich langsam, doch als sie genau hinschaute, merkte sie, dass es eines der Fischerboote war, die häufig an dieser Insel
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