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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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glühender Spitze aus der Glut.
    »Dumm, dass du Mjöllnir nicht dabeihast und deine Handschuhe, denn ohne deine Waffen bist du nichts.« Damit schleuderte der Riese den glühenden Speer direkt auf Thors Gesicht.
    Ausdruckslos, ohne auch nur mit einem einzigen Muskel zu zucken, griff Thor den Speer aus der Luft.
    »Ich bin Thor. Ich stehe ein für meine Freunde. Ich wäre auch ohne Waffen gekommen, aber ich bin gewarnt worden. Leider kann man euch Riesen eben doch nicht trauen. Nun nimm, was du verdienst.«
    Elegant wirbelte Thor den Sperr in der Luft herum und schleuderte ihn voller Verachtung auf den heimtückischen Riesen. Wie ein Geschoss flog die glühende Lanze quer durch den Saal und durchschlug eine steinerne Säule, hinter der Geirröd Schutz gesucht hatte. Die Wucht, mit der Thor den Speer geschleudert hatte, war so groß, dass er weiterflog, Geirröds Herz durchbohrteund schließlich auch noch in der Wand hinter Geirröd stecken blieb.
    Bis die anderen Riesen in Geirröds Burg verstanden hatten, was geschehen war, waren Thor und seine Begleiter längst wieder durch das Eisentor hinausgeschlüpft und im Dickicht des Waldes verschwunden.
    Aber die Wälder im Reich Utgard sind endlos. Es gibt weder Pfade noch Wegsteine, und wer sich nicht auskennt, verirrt sich leicht. So kam es, dass Thor, sein Knecht Thjalfi und Loki am späten Abend wiederum vor den Toren einer Riesenburg standen. Die Burg war so gigantisch, so ungeheuerlich groß, dass sie den Blick auf den Himmel versperrte. Obwohl Loki und Thjalfi es vorgezogen hätten, im Wald zu übernachten, bestand Thor darauf herauszufinden, wem der Palast gehörte.
    Es war leicht, durch den Spalt unter den Türen hineinzugelangen. Und so standen sie bald in einem gewaltigen Saal, in dem mindestens zwei Dutzend Riesen um lange Tische versammelt waren und aßen und tranken. In der Mitte des Saals aber stand ein prachtvoll geschnitzter Holzthron. Ein ungewöhnlich schöner Riese mit einer goldenen Krone auf dem Kopf saß darauf und blickte den Fremden aufmerksam entgegen.
    Obwohl er im Vergleich zu dem Riesen so winzig war wie eine Fliege, trat Thor dem Riesenkönig selbstbewusst gegenüber.
    »Wie ist dein Name, König?«
    Der Riese lächelte überrascht und sagte: »Für gewöhnlich stellen sich Gäste zuerst vor, aber da du schon fragst, mein Name ist Utgard-Loki.«
    Thor nickte leicht mit dem Kopf. »Freue dich, Utgard-Loki, denn ein Gott ist in deine Halle gekommen. Heiße Thor willkommen!«
    Der Riese beugte sich etwas herunter, um Thor besser sehen zu können. »Sei willkommen, Donnergott. Wer hätte gedacht, dass du so schmächtig bist«, sagte er.
    Thors Hand schoss zu Mjöllnirs Schaft, und wie immer strömte die Kraft der Waffe glühend heiß in ihn hinein und verband sich mit seiner eigenen, machte aus ihm einen anderen, erweckte Thor, den Riesentöter.
    Der Riesenkönig Utgard-Loki aber fuhr ungerührt fort: »Wer in unser Haus kommt, muss sich mit uns messen. Was sollten solche Winzlinge können, was wir nicht beherrschen?«
    Thors Augen glühten im Schein der Feuerstelle, schon schnürte er den Zaubergürtel fester um seine Taille.
    »Hier im Saal ist keiner«, mischte sich Loki ein, »der schneller essen kann als ich.«
    Erstaunt blickte der Riese auf den schönen Jüngling, dann wieder zu Thor, dann wieder zu Loki. »Gut«, sagte er schließlich, »wenn Thor dir den Vortritt lässt, dann wirst du gegen meinen Sohn antreten.«
    Damit winkte er einen ungeheuer fetten und unförmigen Riesen heran. Sein Maul war so breit, dass Thors Kriegswagen mitsamt den Böcken auf einmal hineingepasst hätte, und unter seinem Kinn lag ein gewaltiger Kropf. Auf einen Wink des Königs hin wurde ein gigantischer Trog hereingetragen, randvoll mit rohem Fleisch. Der dicke Riese schnupperte gierig, und der Speichel tropfte aus seinem Mund.
    Auch Loki hatte Hunger, und so stürzte jeder an ein Ende des Troges und begann, das Fleisch hinunterzuschlingen. Der Riese schluckte und würgte, aber auch Loki kam schnell voran, obwohl er jeden Knochen sauber abnagte, und bald trafen sich beide in der Mitte des Gefäßes.
    Der fette Riese rülpste so gewaltig, dass Loki durch den Luftstrom umgeweht wurde. Als er wieder auf den Beinen stand, erschrak er: Auf seiner Seite des Trogs war nur ein Haufen Knochen übrig geblieben, der Riese aber hatte alles verschlungen: Fleisch, Knochen und sogar den Trog.
    »Nun, Donnergott«, der Riesenkönig blinzelte Thor boshaft zu, »ist das alles,

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