Die Nymphe Eva
zu. »Ist es nicht wundervoll?«
Ich rümpfte die Nase.
»Sie sind nichts als ein
verstädterter Bauer«, sagte sie verächtlich. »Und das sind die schlimmsten.«
»All diese wundervollen
Wochenenden, grasend auf den Kuhweiden verbracht«, sagte ich mit getragener
Stimme, »und dabei philosophische Betrachtungen mit der lieben alten Tante
Thelma wiederkäuend...«
»Tante Thelma ist an ihrem
letzten Geburtstag fünfunddreißig geworden«, fuhr sie mich an. »Das würde ich
nicht gerade als bejahrt bezeichnen.« Sie blickte mich scharf an. »Oder,
Lieutenant?«
»Eigentlich nicht, nein«, sagte
ich schnell. »Erzählen Sie mir mehr aus der Zeit, als Sie auf den Verandastufen
saßen und die Flöte bliesen, während all die wunderlichen Bauern die Ernte
einbrachten, indem sie jeweils eine Garbe heimtrugen.«
»Na gut«, knurrte sie. »Es ist
natürlich keine Farm im wörtlichen Sinn, aber Sie müssen zugeben, daß sie über
eine Menge natürlichen Charmes verfügt. — Was tun Sie denn jetzt?«
Ich wandte den Blick von der halboffenen
Tür am anderen Ende des Wohnzimmers ab und sah auf die Schleifspur, die von der
Couch aus dorthin führten.
»Ich bin mit kriminalistischen
Ermittlungen beschäftigt. Wohin führt diese Tür?«
»In das Schlafzimmer.« Sie
zuckte mit einer hoffnungslosen Geste die Schultern. »Teilt Ihnen Ihre
eingebaute Radarstation gerade mit, daß sich Dane dort drinnen ausschläft, oder
was ist los?«
»Mein ausgezeichneter
eingebauter Holmes-Spürsinn teilt mir mit, daß vor kurzem jemand dort
hineingeschleppt wurde.« Ich wies auf die Schleifspuren auf dem Teppich. »Das
dort sind keine Schrittspuren, Baby, das sind Fersenspuren.«
»Ja?« Ihre Stimme troff vor
Ironie. »Wollen Sie behaupten, Sie können da einen Unterschied feststellen?«
»Das ist ganz leicht.« Ich ließ
ihr ein ausgesprochen gönnerhaftes Lächeln zukommen. »Sehen Sie doch, wie sich
zwei parallel verlaufende Spuren tief in die Noppen des Teppichs eingegraben
haben, was darauf hinweist, daß jemand geschleppt wurde. — Ach, zum Kuckuck
damit! Ich kann durch die halboffene Tür das Ende eines Bettes sehen, über das
zwei Füße herunterhängen.«
Evas Augen weiteten sich
langsam. »Ist das Ihr Ernst«, sagte sie vorsichtig, »oder ist das ein weiterer
widerlicher Beweis Ihres kindischen und sadistischen Humors, der...?«
»Nein«, sagte ich. »Hat diese
Hundehütte hier auch eine Küche?«
»Natürlich!«
»Dann gehen Sie am besten
dorthin und sehen nach, ob Kaffee im Schrank ist«, schlug ich vor. »Wir
brauchen vielleicht welchen.«
Ihre Augen glitten langsam auf
die halboffene Tür zu und kehrten dann schnell zu meinem Gesicht zurück, bevor
sie Gelegenheit hatten, sich von der Wahrheit über diese Füße zu überzeugen.
»Wenn Sie meinen, Al.« Sie
schluckte. »Sie glauben doch nicht, es könnte vielleicht — Danes Leiche sein?«
»Ich werde es herausfinden,
während Sie nach dem Kaffee fahnden, Süße«, sagte ich mit beruhigender Stimme.
»Jetzt erst mal adieu!«
Sich krampfhaft aufrecht
haltend, ging sie mit schnellen nervösen Schritten in die Küche; und ich
wartete, bis sie verschwunden war, bevor ich ins Schlafzimmer blickte.
Binnen kürzester Frist hatte
ich herausgefunden, daß ich mit meiner Vermutung, wir würden Kaffee brauchen,
recht gehabt hatte. Die Füße, die über den Bettrand hingen, gehörten nicht Dane Garow , sondern einem kleinen dicken Mann mit einem
dünnen Gesicht, der aussah wie ein fettes Erdeichhörnchen, das heißt, wie ein
totes fettes Erdeichhörnchen.
Die trüben, allzu nahe
stehenden Augen unter der fliehenden Stirn waren weit geöffnet und starrten in
unbeweglichem Vorwurf zu mir empor. Der kleine Mund stand ebenfalls offen, und
die schlaffen Lippen waren zu einer angstvollen Grimasse verzogen,
hervorgerufen durch die entsetzte Realisation in letzter Sekunde dessen, was
geschah. Mein von Natur zum Spitzel geschaffener Freund war eines unnatürlichen
Todes gestorben und Sam Fletcher würde mir nun niemals mehr die Details dieses
Schmuckdiebstahls verraten können.
Ich drehte sachte seinen Kopf
auf die andere Seite und dort befanden sich — einer Firmenmarke gleich — zwei
scheußliche Einschußwunden in seinem Hinterkopf. Das
Kissen, auf dem er lag, war mit klebrigem, fast geronnenem Blut getränkt und
die häßlichen Wunden waren von schwarzen Pulverspuren umgeben. Sam Fletcher war
geradewegs von hinten her erschossen worden — der Nachtwächter war ebenfalls
von
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