Die Nymphe Eva
kleiner Bursche schob sich an meine Seite und
erkundigte sich mit nervöser Stimme, ob ich Lieutenant Wheeler sei.
»Klar
bin ich Wheeler.« Ich strahlte ihn aufmunternd an. »Lassen Sie sich Zeit mit
dem, was Sie mir sagen wollen, ich verspreche, auf jedes Wort zu hören.«
»Ich
habe hier was für Sie, Lieutenant«, sagte er verlegen und schob mir dann ein
Papier in die Hand.
Dann
löste er sich sozusagen in dünne Luft auf, bevor ich auch nur Gelegenheit
gehabt hatte, ihm zu danken. Fünf Sekunden später wurde mir auch klar warum.
Der lausige kleine Kriecher war ein Gerichtsbote gewesen und hatte mir soeben
eine Vorladung zukommen lassen, derzufolge ich am
folgenden Tag zu der Gerichtsverhandlung von Marvin Lucas zu erscheinen hatte.
Ich schob das Papier in die Innentasche meiner Jacke und fragte mich, ob man
einen Tag, der mit einer Vorladung zu Gericht begonnen hatte, nicht besser im
Bett verbrächte. Vielleicht war es das klügste, sofort wieder in den Jaguar zu
steigen und zurück nach Hause zu fahren.
Annabelle
begrüßte mich mit einem kalten Blick, als ich hineinkam, und sah dann auf die
Wanduhr.
»Zehn
Uhr dreißig«, zischte sie. »Offenbar ist alles wieder normal, Lieutenant. Ich
sehe, Sie sind zu Ihrem gewohnten Zeitplan zurückgekehrt.«
Dieser
kleine Kriecher von einem Gerichtsboten hatte mich in alles anderem als in
ritterlicher Laune zurückgelassen. Ich grinste sie also bösartig an und sagte:
»Und was für intime Geheimnisse verbergen wir denn heute unter unserem Rock,
Miss Jackson? Vielleicht etwas Sittsames, knielang und in Kaliko?«
Ihre
Wangen wurden flammend rot. »Ich werde Sie demnächst noch umbringen, Al
Wheeler!« murmelte sie mit belegter Stimme. »Mit meinen eigenen Händen werde
ich Sie Stück um Stück zerfetzen!«
»Kaliko«,
überlegte ich laut. »Mit hübschen, eigenhändig gebundenen Schleifen um die
Knie?«
»Sie
können das Thema nicht fallenlassen, nicht wahr?« Sie starrte mich wütend an.
»Wenn Sie es genau wissen wollen, mein achtzehnjähriger Bruder zu Hause in
Alabama hat sie mir spaßeshalber zu meinem letzten Geburtstag geschickt! Ich
habe nach Hause geschrieben und meiner Familie mitgeteilt, daß sie unter ihrem
eigenen Dach einen jugendlichen Verbrecher aufzieht!«
»Vermutlich
haben Sie recht«, sagte ich ernsthaft. »Es sind so ziemlich die
verbrecherischsten Höschen, die ich je gesehen habe. Wissen Sie was? Nur ein
Blick auf Sie, als Sie davonrannten, und plötzlich hatte ich ganz
niederträchtige Empfindungen.«
»Oh!«
Sie atmete langsam aus. »Wie ich Marvin Lucas hasse!«
»Lucas?«
Ich blinzelte.
»Weil
er ein so miserabler Schütze ist«, sagte sie.
Als
ich ins Büro des Sheriffs trat, begrüßte mich Lavers mit einem kalten Blick, der ein Pendant zu jenem Blick war, mit dem Annabelle
mich willkommen geheißen hatte.
»Ich
habe heute morgen keine Zeit zu vergeuden, Wheeler«,
brummte er. »Wenn Sie also gekommen sind, um sie zu vergeuden, so vergeuden Sie
die Ihre nicht mit diesem Versuch.«
Ich
setzte mich und starrte ihn zwei Sekunden lang an. Dann grinste ich
verständnisvoll. »Das war ein Rätsel«, sagte ich. »So eins, das keinen Sinn
ergibt und bei dem die Lösung so etwas wie > Siebeneinviertel linkshändiger Schnellkoch< heißt. — Stimmt’s?«
»Raus!«
knurrte er.
»Was
gestern anbetrifft...«, begann ich.
»Haben
Sie was Neues herausgefunden?«
»Nun,
das nicht, aber...«
»Raus!«
»Was
den Prozeß morgen anbetrifft«, sagte ich entschlossen, »so werde ich doch dabeisein .«
»Ich
habe Ihnen bereits mitgeteilt, daß keine Notwendigkeit für Ihre Anwesenheit
besteht, also — raus!« fauchte er.
»Ganz
plötzlich, geradezu aus dem Nichts heraus, bin ich heute
vormittag doch auf eine solche Notwendigkeit gestoßen«, sagte ich und
warf die Vorladung auf seinen Schreibtisch.
Der
Ausdruck auf seinem Gesicht, während er das Dokument studierte, bildete
jedenfalls eine wertvolle Erinnerung. Die Gereiztheit wich Erstaunen, das durch
Verblüffung abgelöst, welche ihrerseits von aufsteigender Wut verdrängt wurde,
die seine Wangen purpurrot färbte.
»Wissen
Sie, was das bedeutet, Wheeler?« Er zerknüllte plötzlich die Vorladung in
seiner Hand und schleuderte sie auf den Boden. » Cranston hat Sie als Zeugen für die Verteidigung benannt!«
»Eine
interessante Situation«, murmelte ich. »Halten Sie ihn für verrückt?«
» Cranston ?« schnaubte Lavers heftig. »Dieser Fuchs! Mir gefällt diese Entwicklung der Dinge
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